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1541 - Das himmlische Stück

Titel: 1541 - Das himmlische Stück
Autoren: Unbekannt
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Fingern öffnete sie das Glas vor dem Zifferblatt und verstellte die Zeiger. Als sie auf zwölf Uhr standen, schlug das Glockenwerk. Myles sah, wie eine Klöppelreihe die Klangkörper fast streichelte. Zarte, reine Töne erklangen; eine simple Melodie. „Ja!" murmelte er. „Ich muß diese Uhr haben. Was kostet sie?"
    „Zwölftausend Galax."
    „Du machst Scherze." Er strich sich eine feuchte Strähne aus der Stirn. „Keineswegs. Hast du nicht so viel?"
    „Ich weiß es nicht." Er zog seine Kreditkarte heraus und checkte das Display. „Hm. Das sind knapp fünfzehntausend. Ich will die Uhr. Diese und die andere!"
    Die alte Arkonidin lachte. „Niemals, Myles. Du bekommst eine Standuhr für die fünfzehntausend; und wenn du Lust hast, kannst du noch zwei oder drei kleine Uhren dazubekommen. - Du bist doch ein Sammler, oder?"
    Meckerndes Lachen brach das Ticken im Raum. „Ich erkenne einen Sammler, wenn ich ihn sehe.
    Immer!"
    Myles Kantor kniff die Lippen zusammen. „Nun gut. Ich gehe auf den Handel ein."
    Plötzlich zornig über sich selbst, schaute er flüchtig über den Rest der Uhren. So erkannte er zwar, daß auch unter ihnen kleine Schätze waren, doch nichts kam den beiden Standuhren gleich. „Diese beiden." Er deutete auf eine goldene Taschenuhr mit Klappdeckel und eine Wanduhr, deren Zifferblatt eine Handmalerei in blauem Pastell bildete. „Das sind sechzehntausendzweihundert Galax." Er richtete sich auf und sah die Alte böse an. „Wenn du jetzt Schwierigkeiten machst, nehme ich gar nichts."
    Die Arkonidin gab sich geschlagen. Das Funkeln in ihren Augen sprach eine völlig andere Sprache als die perplexe Miene. „Na gut, Myles."
    „Außerdem sorgst du für den Transport. Rufe mir einen Lastengleiter."
    „Einen Gleiter?" erboste sich die Alte. „Wozu? Du kannst ..."
    „Jetzt halte den Mund!" brauste er auf. „Ich habe dir Uhren für ein halbes Vermögen abgekauft.
    Allein vom Gewinn kannst du vier Jahre leben! Denkst du, ich würde die Uhren dem Regen aussetzen?
    Rasch, beeile dich!"
    Die Frau nahm seine Kreditkarte und buchte alles ab, was Myles Kantor als Guthaben zur Verfügung stand.
    Anschließend rief sie per Komnetz einen Robotgleiter herbei.
    Myles holte sich aus dem Laderaum einen Antigrav. Das Gerät hüllte die Standuhr in ein Feld der Schwerelosigkeit. Mit äußerster Vorsicht schob er seinen Schatz zum Hinterausgang. Die Arkonidin brachte die beiden anderen Uhren. „Einen guten Tag noch, Myles Kantor. Vielleicht kommst du einmal wieder."
    Er biß die Zähne zusammen. Um keinen Preis wollte er eingestehen, daß er das ganz sicher tun würde. Zornig schlug er die Ladeklappe zu.
    Gleichzeitig stieg der Gleiter auf und fädelte sich in hundert Metern Höhe in den Verkehrsstrom ein. Myles hatte sich übers Ohr hauen lassen - und er wußte es. Aber wie hätte er diesem Stück widerstehen sollen?
    Zärtlich tastete er über die Holzoberfläche.
    Und einen zweiten Effekt hatte der Kauf.
    Es war, als habe sich in seinem Denken eine Barriere gelöst. Wie lange hatte er mit Hilfe von Syntroniken, sogar mit Hilfe NATHANS, versucht, Ordnung in die Manifestationen Wanderers zu bringen?
    Er wußte es nicht. Er wußte nur, daß es keinen Sinn hatte.
    Statt dessen hätte er einen anderen Anhaltspunkt verfolgen sollen. Aus den vorliegenden Daten ließ sich keine Bahnkurve errechnen, also auch nicht der nächste Manifestationsort. Mehr Daten. Woher?
    Und wer garantierte ihm, daß im Solsystem tatsächlich sämtliche Daten vorhanden waren? Was, wenn ES weitere Hinweise ausgestreut hatte, von denen niemand wußte, die niemand gefunden hatte? Es gab Beispiele dafür. So waren nie alle der fünfundzwanzig ausgestreuten Zellaktivatoren gefunden worden.
    Myles Kantor ließ die Glastürme und stählernen Bauten der Hauptstadt an sich vorbeiziehen.
    Weit dahinter, wo die kleinen Siedlungen lagen, bewohnten er und seine Mutter einen Bungalow.
    Dorthin mußte er.
    Unzählige Gleiter bildeten ein Meer aus silbrigen Reflexen. Gewiß, ein Anblick von bemerkenswerter Schönheit und Ästhetik - aber nichts gegen die natürliche Eleganz eines simplen Glockenwerks.
    Er lachte.
    Denn nun wußte er, was zu tun war. Er wollte sich auf Spurensuche begeben. Nicht mehr versuchen, aus unzureichenden Daten etwas herauszufiltern, sondern die Datenmenge erweitern. Wenn ES wirklich daran interessiert war, von den Galaktikern gefunden zu werden, mußte es mehr Daten geben.
    Irgendwo dort draußen. Und irgendwann.
    Myles Kantor
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