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1450 - Die Herren der Straßen

Titel: 1450 - Die Herren der Straßen
Autoren: Unbekannt
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vorherrschend.
    Jesco Tomaskon faßte die Berge ins Auge. Sie waren nur wenige Kilometer vom Lager entfernt. Davor erhob sich ein provisorisches Gebäude, in dem in den vergangenen Tagen annähernd hundert Menschen verschwunden und nicht wieder aufgetaucht waren. Pete Rumples beobachtete das Haus fast ständig, und jedesmal wenn ein Gefangener hineingeführt wurde, vertieften sich die Falten in seinem hageren Gesicht.
    Doch nicht nur dieses geheimnisvolle Gebäude lag zwischen ihnen und den Bergen, sondern auch ein fast fünf Meter hoher Energiezaun. Rumples räumte ein, daß der eine oder der andere von ihnen möglicherweise an dem Gebäude vorbeikam, aber er hielt es für völlig ausgeschlossen, daß irgend jemand den Zaun durchbrach oder überstieg.
    In den vergangenen Stunden waren Materialtransporter gelandet und hatten wahre Berge von Ausrüstungsgütern gebracht, die offenbar für die geplante Gen-Fabrik und eine Hyperfunkstation der Cantaro vorgesehen waren. Die Gefangenen hatten die Transportaktion mit gemischten Gefühlen beobachtet. Auf der einen Seite waren sie froh, daß die Cantaro mit den Anlieferungen beschäftigt waren und keine Zeit hatten, sich mit den Gefangenen zu befassen. Auf der anderen Seite verfolgten sie mit wachsendem Unbehagen, wie umfangreich die Lieferungen waren. „Das reicht, um eine ganze Stadt zu bauen", stellte Pete Rumples fest. „Ist dir klar, was das bedeutet?"
    „Sicher", erwiderte Jesco Tomaskon. „Je größer die Fabrik wird, desto mehr von uns können sie gleichzeitig verarbeiten."
    „Verarbeiten", sagte Rumples mühsam.
    Er nickte. „Das ist genau das richtige Wort. Sie werden Tag für Tag Hunderte von uns in diese Fabrik schicken. Aber ich werde nicht warten, bis ich an der Reihe bin. Ich werde mich ihnen entziehen."
    „Das ändert nichts am Ergebnis", stellte Tomaskon trocken fest.
    Einige Männer, die in der Nähe saßen und ihn gehört hatten, lachten unsicher. „Richtig", bestätigte der Waffenmeister Dennis Petar. „Danach bist du tot. So oder so."
    „Genau davon rede ich", sagte Jesco Tomaskon so ruhig, als ob es darum ginge, wann er am nächsten Morgen geweckt werden wollte. „Bevor ich mich selbst umbringe, überlasse ich den Cantaro diese Arbeit. Das ist weniger mühsam."
    „Dein Zynismus ist unangebracht", erregte sich Pete Rumples.
    Tomaskon blickte ihn starr an, und wieder strich er sich die Barthaare links und rechts vom Kopf über die Schultern zurück. „Also gut, du trübe Tasse", fuhr er den Wissenschaftler an. „Ich glaube und hoffe bis zur letzten Sekunde. Ich würde mich schwarz ärgern, wenn ich erst Selbstmord begehe und hinterher feststellen muß, daß die Cantaro nur ein harmloses Experiment mit mir machen wollen, bei dem ich nur ein paar meiner edlen Zellen verliere, nicht aber mein Leben."
    Einige Männer lachten. Rumples erhob sich von dem Stein, auf dem er gesessen hatte. Er ging wortlos zur Seite. In seinem bleichen Gesicht zuckte es. „Du wirst es nicht glauben", fügte Tomaskon hinzu. „Außerdem ist es meine innerste Überzeugung, daß der Mensch nicht von sich werfen darf, was Gott ihm geschenkt hat."
    Rumples blieb stehen, als sei er gegen ein Hindernis gelaufen. Langsam drehte er sich um und blickte Tomaskon durchdringend an. Er wußte nicht, ob der Erschließungsarchitekt es wirklich so meinte, wie er es gesagt hatte, oder ob er sich über ihn lustig machen wollte.
    Doch er stellte die Frage nicht, die ihm auf den Lippen lag, denn zwei pyramidenförmige Roboter näherten sich ihnen. Mit ihnen kam der Veegran, der ranghöchste Cantaro.
    Pete Rumples konnte sich nicht länger auf den Beinen halten. Er sank langsam auf die Knie herab. Seine Hände falteten sich wie zum Gebet vor seiner Brust, und er senkte den Kopf, konnte seine Blicke jedoch nicht von dem Cantaro und den Maschinen lösen, die langsam heranschwebten und schließlich wenige Schritte von ihnen entfernt landeten.
    Sein Gesicht war von Entsetzen und Angst gezeichnet. Er murmelte etwas, das niemand verstehen konnte.
    Alle Gefangenen waren davon überzeugt, daß die Auswahl des Cantaro einem Todesurteil gleichkam. Niemand von ihnen wußte genau, welcherart die gentechnologischen Experimente waren, die in dem provisorischen Gebäude durchgeführt wurden. Selbst die Biologen unter ihnen konnten keine klare Auskunft geben. Fast alle wußten, daß für Experimente dieser Art nur wenige Zellen eines Lebewesens benötigt wurden, um das Erbgut identifizieren und
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