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140 - Im Land der Feuerdrachen

140 - Im Land der Feuerdrachen

Titel: 140 - Im Land der Feuerdrachen
Autoren: Bernd Frenz
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ein weißer Klumpen war.
    Er wollte schreien vor Schmerz, aber der Laut blieb ihm in der Kehle stecken. Dafür schrie jemand anderes neben ihm.
    »Achtung, da hat sich einer infiziert!«
    ***
    Aiko übergab das Steuer an Honeybutt, als das Geschrei im Frachtraum losging. Von einem bösen Verdacht beseelt, zwängte er sich durch die Cockpittür.
    Er sah sofort, was los war, denn die meisten Anwesenden spritzten gerade auseinander, um möglichst viel Platz zwischen sich und den Mann vor der offenen Luke zu bringen.
    Jemandem mit echten Gefühlen hätte es wohl einen tiefen Stich ins Herz versetzt, in der wankenden, mit weißem Auswurf bedeckten Gestalt ausgerechnet Dave McKenzie zu erkennen.
    Matthew Drax ging es jedenfalls so. Völlig fassungslos stand er seinem alten Gefährten gegenüber, das LP-Gewehr zwar erhoben, doch nicht wirklich in der Lage, abzudrücken.
    Aiko griff in den Waffenschrank neben der Cockpittür und zog ein Tak 02 hervor. Eine Maschinenpistole, mit der er gut umzugehen wusste.
    »Matt, so hilf mir doch!«, flehte Dave gerade mit brechender Stimme. Dabei streckte er seine Hand aus und versuchte seinen Kameraden, der immer noch wie angewurzelt auf der Stelle stand, zu berühren.
    Hinter den beiden kreischten Männer und Frauen auf.
    »Matthew, weg da!«, brüllte Naoki. »Er steckt dich sonst an!«
    Matt bekam davon gar nichts mit. Seine Augen waren weiter auf den in Auflösung befindlichen McKenzie gerichtet.
    »Bitte, Dave, geh zurück«, flüsterte er mit versagender Stimme.
    Es war schon interessant: Commander Matthew Drax, ein Mann mit großer Erfahrung, analysierte die Situation vollkommen richtig und war dennoch nicht in der Lage, das einzig Vernünftige zu tun – weil seine Gefühle der Logik im Wege standen.
    »Hilf mir doch, Matt«, bat Dave erneut und stapfte unbeholfen weiter.
    Aiko erkannte die Tragik der ganzen Situation, und das erzeugte in ihm einen traurigen Widerhall. Natürlich war dieses Gefühl nur die Erinnerung an alte Emotionen, doch es gab ihm immerhin eine Ahnung davon, wie er eigentlich fühlen würde, wäre er noch ein Mensch.
    Und doch war da diese Distanz, die ihm Klarheit verschaffte. Die Klarheit einer Maschine. Er trat einen Schritt zur Seite und hob die Tak 02.
    McKenzie wandte sich um. Das Ding in ihm, das ihn längst beherrschte, erkannte, dass Gefahr drohte. Mit einem Sprung wollte er den Blonden vor sich noch erreichen, ihn infizieren.
    Zwei Kugeln, die seine Brust aufrissen, stoppten die Bewegung. Nur wenige Tropfen Blut traten aus den Wunden.
    Trotz der tödlichen Treffer blieb er aufrecht stehen.
    Zwei weitere Projektile trieben McKenzie zurück, hinein in die offene Luke. Der Fahrtwind erledigte den Rest. Er wurde aus dem Frachtraum gesogen und fiel in die Tiefe. Hinab ans brennende Ufer, wo sein verseuchter Körper in Flammen aufging.
    Aiko schaute aus der Luke, um ganz sicher zu gehen. Als er sich umdrehte, starren ihn alle voller Entsetzen an. Ihn, der nur getan hatte, was getan werden musste. Einzig Blair nickte ihm zu, um Verständnis zu signalisieren.
    »Es ging nicht anders«, erklärte Aiko. »Dave war längst verloren, aber wir alle waren noch zu retten.«
    »Da hast du sicher recht«, gestand Matt, der ihm am nächsten stand. »Trotzdem… die Kaltblütigkeit, mit der du…«
    Tränen rollten über das Gesicht des blonden Piloten, als er auf das LP-Gewehr in seiner Hand schaute. Auf die Waffe, die er nicht auf seinen Freund hatte abfeuern können.
    Fehler!, durchzuckte es Aiko. Ja, ganz klar: Er hatte es versäumt, Emotionen zu zeigen. Dadurch wurde seine Tarnung leichtsinnig gefährdet.
    Aber er hatte getötet, weil es für die Gemeinschaft richtig war. Und er spürte deshalb nicht die geringste Reue.
    Ein lautes Schluchzen von der Kanzel ließ ihn zu Honeybutt sehen. Seine Freundin biss sich auf die Fingerknöchel. Ihr Blick schrie um Hilfe.
    Plötzlich sah Aiko klar. Ihre Beziehung war schon lange nur noch eine Farce. Nun wusste er, wie er zu handeln hatte.
    »Das musst du verstehen, Liebling«, gab er das Lügengebilde auf. »Ich bin nicht mehr nach menschlichen Gesichtspunkten zu messen. Denn hier oben drin«, er tippte mit dem Zeigefinger gegen seine Schläfe, »hier oben drin bin ich kein Mensch mehr, sondern eine Maschine.«
    ENDE
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