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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Autoren: Karl May
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glücklich bis hierher gebracht, so wollten wir nun lieber einen Umweg einschlagen, als uns wieder in neue Gefahren zu begeben.
    So gelangten wir nach längerer Zeit und mancherlei Anstrengungen und Entbehrungen glücklich an das nördliche Zagrosgebirge.
    Es war Abend, und wir lagerten am Rande eines Tschimarwaldes (Orientalische Platane). Über uns wölbte sich ein Firmament, dessen Glanz nur in diesen Gegenden in solcher Reinheit und Kraft zu beobachten ist. Wir befanden uns in der Nähe der persischen Grenze, und die Luft Persiens ist ja wegen ihrer Klarheit berühmt. Das Licht der Sterne war so stark, daß ich, trotzdem der Mond weder im Kalender noch am Himmel stand, die Zeiger meiner Taschenuhr auf drei Schritte Entfernung ganz deutlich erkennen konnte. Lesen hätte ich, selbst bei kleiner Schrift, ganz gut vermocht. Die Strahlen des Jupiter waren so hell, daß seine Trabanten selbst dann mit einem Fernrohr mit ausgeschraubten Gläsern wohl schwerlich zu entdecken gewesen wären, wenn man den Körper des Planeten mit dem Rand des Rohres zu bedecken versucht hätte. Sogar teleskopische Gestirne kamen zum Vorschein. Der siebente Stern des Siebengestirns war ohne bedeutende Anstrengung des Auges zu erkennen. Die Klarheit eines solchen Firmaments macht einen tiefen Eindruck auf das Gemüt, und ich lernte einsehen, warum Persien die Heimat der Astrologie ist, dieser unfrei geborenen Mutter der edlen Tochter, welche uns die leuchtenden Welten des Himmels kennen lehrt.
    Unsere Lage ließ uns vorziehen, im Freien zu übernachten. Wir hatten uns im Lauf des Tages von einem Hirten ein Lamm gekauft und brannten uns jetzt ein Feuer an, um das Lamm gleich in der Haut zu braten, nachdem wir es ausgenommen und mit dem Messer geschoren hatten.
    Unsere Pferde grasten in der Nähe. Sie waren in der letzten Zeit ganz ungewöhnlich angestrengt worden, und es wäre ihnen eine mehrtägige Ruhe zu gönnen gewesen, was sich leider aber nicht ermöglichen ließ. Wir selbst befanden uns alle wohl, mit Ausnahme eines Einzigen. Dies war Sir David, welcher unter einem großen Ärger zu leiden hatte.
    Er war nämlich vor einigen Tagen von einem Fieber befallen worden, welches ungefähr vierundzwanzig Stunden lang anhielt. Dann war es wieder verschwunden, aber mit diesem Verschwinden hatte sich bei ihm jenes schaudervolles Geschenk des Orients entwickelt, welches der Lateiner Febris Aleppensis, der Franzose aber Mal d'Aleppo oder Bouton d'Alep nennt. Diese ‚Aleppobeule‘, welche nicht nur Menschen, sondern auch gewisse Tiere, z.B. Hunde und Katzen heimsucht, wird stets von einem kurzen Fieber eingeleitet, nach welchem sich entweder im Gesicht oder auf der Brust, an den Armen und Beinen eine große Beule bildet, welche unter Aussickern einer Feuchtigkeit fast ein ganzes Jahr steht und beim Verschwinden eine tiefe, nie wieder verschwindende Narbe hinterläßt. Der Name dieser Beule ist übrigens nicht zutreffend, da die Krankheit nicht nur in Aleppo, sondern auch in der Gegend von Antiochia, Mossul, Diarbekir, Bagdad und in einigen Gegenden Persiens auftritt.
    Ich hatte diese verunstaltende Beule schon öfters gesehen, noch niemals aber in der ungewöhnlichen Größe, wie bei unserm guten Master Lindsay. Nicht genug, daß bei ihm die außerordentliche Anschwellung im dunkelsten Rot erglänzte, war sie auch so impertinent gewesen, sich just die Nase zu ihrem Sitz auszuwählen – diese arme Nase, welche so schon an einer ganz abnormen Dimension zu leiden hatte. Unser Englishman trug das Übel nicht etwa mit Ergebenheit, wie es seine Pflicht als Gentleman und Vertreter der very great and excellent nation gewesen wäre, sondern er verriet einen Ärger und eine Ungeduld, deren Ausbrüche oft das Zwerchfell der Zuhörer in Mitleidenschaft zog.
    Auch jetzt saß er am Feuer und befühlte fortwährend mit beiden Händen die unverschämte Pustel.
    „Master!“ sagte er zu mir. „Hersehen!“
    „Wohin?“
    „Hm! Dumme Frage! Auf mein Gesicht natürlich! Yes! Ist wieder gewachsen?“
    „Was? Wer?“
    „'s death! Diese Beule hier! Viel gewachsen?“
    „Sehr! Sieht grad wie eine Gurke aus.“
    „All devils! Schauderhaft! Entsetzlich! Yes!“
    „Vielleicht wird's mit der Zeit ein Fowling-bull, Sir!“
    „Wollt Ihr eine Ohrfeige haben, Master? Stehe sofort zu Diensten! Wollte, Ihr selbst hättet dieses armselige Swelling (englisch: Geschwulst) auf Eurer Nase!“
    „Habt Ihr Schmerzen?“
    „Nein.“
    „So seid froh!“
    „Froh? Zounds! Wie
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