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1377 - Es lauert im Dunklen

1377 - Es lauert im Dunklen

Titel: 1377 - Es lauert im Dunklen
Autoren: Jason Dark
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konnte durchaus sein, und sie fragte sich zum wiederholten Mal, ob sie ablehnen würde. So ganz sicher war sich die Studentin nicht dabei, denn sie gab zu, dass sie sich der von ihm ausgehenden Faszination nur schlecht entziehen konnte.
    Bisher hatte sie ihn nur gesehen, jetzt hörte sie ihn bereits, so nahe war er schon gekommen. Bei jedem seiner Schritte knirschte es leise unter den Sohlen, als wollte er die winzigen Steine zertreten, die auf dem Weg lagen.
    Eine breite Treppe aus drei Stufen führte von der Veranda nach unten. Cindy überlegte, ob sie aufstehen und Riordan entgegengehen sollte, aber das ließ sie bleiben.
    Sie wartete ab, bis er sie erreichen würde, und sie merkte dabei, dass sie zitterte. Ihre Mundwinkel zuckten. Ihre Augen bewegten sich. Das Begrüßungslächeln erschien verkrampft.
    Näher und näher kam er.
    Cindy konnte ihn immer besser sehen. Die Gestalt schien in den letzten Sekunden gewachsen zu sein. Der Mensch war groß, größer als die meisten, und jetzt sah sie, wie er gegen die vordere Krempe seines Huts tippte, sodass die Kopfbedeckung nach hinten rutschte und im Nacken hängen blieb.
    Der Kopf lag frei und damit auch seine dunklen Haare, die leicht glänzten und an das Gefieder eines Rabens erinnerten. Das Gesicht wirkte gestreckt, in die Länge gezogen. Dazu passte die recht lange Nase, über der sich eine breite Stirn wie beschützend wölbte.
    Augen, die sich nicht bewegten, die dunkel waren, aber nicht schwarz, denn darin zeichnete sich ein grünlicher Schimmer ab, wie es bei Menschen manchmal üblich war, die von der Insel kamen.
    Er besaß einen recht breiten Mund mit vollen Lippen. Zwischen den Winkeln unter den Augen wirkte die Haut wie straff gespannt.
    Seine Ohren waren nicht zu sehen, weil die dunkle Haarflut über sie hinwegfloss.
    Er war jemand, der Akzente setzte. Er war ein Sieger. Einer, der seine Ziele immer erreichte und auch nie aufgeben würde.
    Zu sagen brauchte er nichts. Er betrat auch nicht die Veranda, sondern blieb vor ihr stehen. Der Blick seiner schwarz-grünen Augen bohrte sich in das Gesicht der Studentin, die das Gefühl hatte, sich innerlich unter diesem Blick zu entblößen.
    Menschen können manchmal bis auf den Grund der Seele schauen. So etwas hatte sie schon gehört, und jetzt kam es ihr vor, als wäre das auch bei ihr der Fall.
    Cindy hatte den Mann erwartet, doch nun war sie unsicher geworden. Ihr Selbstbewusstsein war verschwunden. Sie fühlte sich klein und mickrig, und sie schaffte es nicht, ihn mit einigen Worten zu begrüßen.
    Dafür sprach er.
    Seine Stimme war volltönend, und sie hätte ebenso gut einem Schauspieler gehören können, der auf der Bühne stand und einen Monolog in Richtung des erwartungsvollen Publikums sprach, dessen Augen gebannt an den Lippen des Mimen hingen.
    »Du siehst, dass ich mein Versprechen gehalten habe. Ich habe es dir gesagt, und nun bin ich hier.«
    »Ja, und ich habe auf dich gewartet«, flüsterte Cindy.
    Plötzlich klappte es. Auf einmal konnte sie sprechen, und die Worte waren auch recht flüssig über ihre Lippen gedrungen. Die große Furcht steckte nicht mehr in ihr, die Ansprache des Wanderpredigers war so etwas wie eine Erlösung für sie gewesen.
    »Dann bist du bereit, mir zu folgen?«
    Cindy gab die Antwort noch nicht sofort. Sie wartete ab, denn sie wusste genau, dass die nächste Antwort entscheidend für ihre nächste Zukunft war. Sie begab sich unter die Kontrolle eines Fremden, der sich nur für sie interessierte und mit ihr machen konnte, was er wollte.
    Normalerweise hätte ihr inneres Alarmsystem reagiert. Das meldete sich diesmal nicht, weil die Faszination des anderen einfach zu stark war und ihren eigenen Willen unterdrückte.
    »Darum habe ich auf dich gewartet.«
    »Gut, dann komm!«
    Er sagte nichts mehr und streckte ihr nur den rechten Arm entgegen. Mit seinen langen Fingern winkte er ihr zu, und sie spürte, wie sich in ihrem Inneren etwas zusammenzog.
    Dann stand sie auf!
    Der Stuhl schaukelte nach und gab noch einige knarzende Laute ab. Als Cindy auf den Füßen stand, merkte sie das Zittern. Ihr war heiß und kalt zugleich. Sie bekam eine Gänsehaut, aber sie ging die Stufen hinab und legte ihre Hand in die andere.
    Trocken fühlte sie sich an, sehr trocken. Beinahe wie altes Papier, dem die Feuchtigkeit fehlte.
    Er schloss seine Faust um ihre Hand, und Cindy kam sich plötzlich wie gefangen vor.
    »Wo gehen wir hin?«, flüsterte sie.
    »In meine Kirche.«
    »Bitte? Was…
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