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1280 - Der Engel und sein Henker

1280 - Der Engel und sein Henker

Titel: 1280 - Der Engel und sein Henker
Autoren: Jason Dark
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und Besprechungsraum eingerichtet, John. Aber nehmen Sie doch Platz.«
    Eine gemütliche Sitzecke war vorhanden. Auf dem dazugehörigen Tisch mit der Glasplatte und dem Eisenfuß, der aussah wie ein Bogen, stand eine Vase mit Blumen und lagen auch einige Zeitschriften herum, die Lavinia Kent zur Seite schob.
    »Ich hab einen sehr leckeren Rosé kaltgestellt. Wäre das ein Getränk für Sie?«
    »Gern.«
    »Dann hole ich die Flasche.«
    Ich schaute ihr nach. Lavinia hatte die Haare aufgekämmt und zwei rote Spangen in die dunkle Fülle gesteckt. Von Purdy Prentiss wusste ich, dass sie 35 Jahre alt war, und man konnte sie durchaus als hübsche Frau bezeichnen.
    Dass sie erst vor kurzem von zwei Kugeln getroffen worden war, wollte mir noch immer nicht in den Sinn. Ich hatte mir auf der Fahrt darüber Gedanken gemacht und zudem mit Suko kurz gesprochen.
    Mein Freund und Kollege war der Meinung gewesen, dass Lavinia Kent ein Phänomen war. Er hatte mir zu einer gewissen Vorsicht geraten und hätte nichts dagegen gehabt, wenn ich ihn angerufen hätte, falls sich die Dinge in meiner Gegenwart veränderten.
    Lavinia Kent brachte die Flasche mit, die sie schon geöffnet und dann in einen Kühler aus Kunststoff gestellt hatte. Zwei Weingläser standen ebenfalls auf dem kleinen Tablett. Ich machte mich nützlich, schenkte ein und ließ mich danach wieder in den schmalen, aber bequemen Sessel sinken, der mit einem graublauen Feincordstoff überzogen war.
    Der Wein war wunderbar kühl. Von außen beschlug das Glas ein wenig, und im Winter hätte sicherlich das Feuer im Kamin gebrannt. Licht gaben zwei Wandleuchten, deren Schirme in einem matten Gelb schimmerten.
    »Trinken wir auf uns«, sagte Lavinia und hob ihr Glas.
    »Nein, auf Sie und Ihre wundersame Rettung, über die ich mir noch immer den Kopf zerbreche.«
    Sie musste lachen. »Das glaube ich Ihnen unbesehen. Aber Sie haben es ja überstanden.«
    »Stimmt. Wobei die Fragen geblieben sind.«
    »Das kann ich mir denken.«
    Wir tranken einen Schluck Wein, und ich war wirklich begeistert. Es war ein hervorragender Sancerre, fruchtig, mild, aber nicht süß. Er ließ sich fantastisch trinken.
    Die Psychologin saß mir gegenüber und benahm sich ziemlich locker. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen und lächelte mich an.
    »Jetzt können Sie Ihre Fragen stellen, John.«
    »Ja, gern. Ich überlege nur, wie ich anfangen soll. Sind Sie eigentlich getroffen worden oder haben die beiden Kugeln Sie verfehlt?«
    »Haben Sie nicht die Einschusslöcher gesehen?«
    »Schon, aber…«, ich hob die Schulter. »Durch meinen Job bin ich es ja gewohnt, dass es Vorgänge gibt, die nicht so leicht zu erklären sind. Dennoch erlebe ich immer wieder Überraschungen. Sie lassen mich zwar nicht gerade an meinem Verstand zweifeln, aber eine Erklärung ist auch nicht so leicht zu finden, denke ich.«
    »Da haben Sie Recht.« Lavinia trank von ihrem Wein. »Ich kann Ihnen versichern, dass man mich getroffen hat. Sie haben Logan auch getroffen. Nur liegt er im Gegensatz zu mir auf der Intensivstation. Die Ärzte wissen noch nicht, ob sie ihn durchbekommen.«
    »Wie geht es der Mutter mit den Kindern?«
    »Sie stehen unter psychologischer Betreuung. Eine Kollegin von mir kümmert sich um die Familie. Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass alles für sie getan wird. Sie werden zunächst nicht in die Wohnung zurückkehren.«
    »Das ist positiv.«
    Lavinia genoss wieder einen Schluck Wein und nickte mir zu, als sie das Glas abstellte. »Ja, und nun zu mir. Ich kann mir denken, dass sie überrascht gewesen sind, und möchte Sie zunächst fragen, was Ihnen unsere gemeinsame Bekannte Purdy Prentiss erzählt hat.«
    »Gut, dass Sie das Thema anschneiden, Lavinia. Sie hat mir nämlich nichts erzählt. Sie hat mich nicht mal vorgewarnt und mich losgeschickt. Mir war natürlich klar, dass etwas dahinter steckt, und da habe ich mich wohl nicht geirrt.«
    »Genau.«
    Ich lächelte, doch meine Frage hörte sich ernst an. »Wer oder was sind Sie, Lavinia?«
    Sie breitete die Arme aus. »Eine Frau.«
    »Das sehe ich«, erwiderte ich lachend, »und eine attraktive dazu.«
    »Danke.«
    »Aber gerade attraktive Frauen haben manchmal so ihre Geheimnisse. Können wir uns darauf einigen?«
    »Natürlich.«
    »Wenn man auf Sie schießt, dann werden Sie nicht getroffen. Das genau ist für mich das Unerklärliche.«
    »Ich werde getroffen.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Nur tun mir die Kugeln nichts. Mit anderen Worten,
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