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1273 - Upanishad

Titel: 1273 - Upanishad
Autoren: Unbekannt
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einen Herzschlag lang sogar daran, daß ich einen Zeitsprung in die Vergangenheit gemacht hatte und das Bauwerk deshalb noch gar nicht existierte. Es war absurd.
    Das begriff ich aber erst, als der Gleiter auf fast 9000 Meter Höhe gestiegen war und sich dem Gipfel bis auf zirka zwei Kilometer genähert hatte. Da entdeckte ich den skurrilen Winzling, der auf dem künstlich planierten Gipfel hockte gleich einem fingerhutgroßen Aquamarin auf der Spitze des Empire State Buildings.
    So ungefähr nämlich waren die Relationen. Die Upanishad-Schule, die von innen so groß und imposant ausgesehen hatte, war von außen nur eine unbedeutende Verunreinigung des höchsten Berges der Erde.
    Die Argumente der Naturschützer und auch zahlreicher Politiker kamen mir wieder in den Sinn. Sie hatten gegen die Planierung der Gipfelspitze des Mount Everest protestiert und waren Sturm gelaufen gegen den Plan, dort ein profanes Bauwerk zu errichten. Ich hatte eigentlich nur deshalb gegen ihre Einwände und Vorhaltungen die Genehmigung dazu erteilt, weil Homer mir quasi eine Art Gehirnwäsche verpaßt hatte. Hinterher war ich oft vom schlechten Gewissen gepeinigt worden. Doch da konnte ich nicht mehr zurück, wenn ich nicht den Grund für die Abkühlung der Beziehungen zur Mächtigkeitsballung ESTARTU liefern wollte.
    Jetzt erkannte ich, daß alles halb so schlimm war. Natürlich, wenn man mit den Augen eines Naturschützers hinsah, wirkte die Verunzierung des Gipfels immer noch schlimm genug. Mancher würde sie nie anders als Blasphemie nennen. Doch wer gezwungen war, das Für und Wider logischsachlich abzuwägen wie ich, der konnte sich mit der relativen Nichtigkeit des Profanbaues über die Schändung eines der gewaltigsten Naturdenkmäler der altehrwürdigen Erde trösten. Das Schloß wirkte in dem Orkan, der an seinen Türmen und Zinnen rüttelte und es immer wieder hinter zerrissenen Wolkenfetzen verschwinden ließ, grazil, verwundbar und zerbrechlich. Unwillkürlich erwartete ich, daß es einstürzte und daß seine Trümmer in die Tiefe fielen.
    Aber natürlich wußte ich, daß diese Erwartung trog. Ich hatte schon genug von Stalker und seinen Mitbringseln gesehen, um zu wissen, daß die Legierung, aus der das Schloß erbaut war und die die Eigenschaften von Terkonit und Ynkelonium in sich vereinte, jedem irdischen Unwetter trotzen konnte. Dabei war ich sicher, daß die Legierung nicht völlig identisch mit Ynkonit, also „unserer" Legierung aus Terkonit und Ynkelonium, war, denn Ynkonit war von rosaroter Färbung wie das Gefieder von Flamingos; die Tschomolungma aber schimmerte von innen heraus in einem hellblauen Schein. Wahrscheinlich übertraf seine Widerstandsfähigkeit die des Ynkonits noch um einiges.
    „Eine weitere Annäherung ist nicht ratsam", sagte die Positronik, als wir uns dem Schloß auf etwa zweihundert Meter genähert hatten und der Gleiter von den Orkanböen hin und her und auf und ab geschleudert wurde. „Wahrscheinlich ließe sich dann eine Kollision nicht vermeiden."
    „Wozu haben wir einen Paratronschirm-Projektor!" gab ich grimmig zurück.
    „Aber, Tiff!" entrüstete sich die Positronik. „Bei einer Kollision mit aktiviertem Paratronschirm würden an der Tschomolungma schwerste Schäden herbeigeführt. Ich ersuche dringend um die Anweisung zum Abdrehen."
    „Abdrehen!" befahl ich.
    Nicht, weil ich ernsthaft daran glaubte, daß unser Paratronschirm der Schule Schaden zuzufügen vermochte. Nein, ich war ziemlich sicher, daß sie auch das aushielt. Aber ich war auch sicher, daß ich von der Tschomolungma längst geortet worden war und daß der Gleiter unter permanenter Beobachtung stand. Unter diesen Umständen wäre es ein schwerer Verstoß gegen alle Regeln der Diplomatie gewesen, eine Kollision herauszufordern und damit den Anschein zu erwecken, ich nähme keine Rücksicht auf das Leben von Gästen.
    „Abdrehen", wiederholte die Positronik und führte den Befehl aus.
    Da war der Gleiter dem „Märchenschloß" aber schon so nahe gekommen, daß die nächste und besonders heftige Bö ihn über das Dach des Hauptgebäudes wirbelte, daß ich im Geist schon Funken sprühen sah.
    Sekunden später flammte es unter uns grell auf. Ein Gewitter von nie erlebter Stärke brach zwischen den Gipfeln des Everestmassivs los und schien sie in Stücke schlagen zu wollen. Der Gleiter hatte die Kollision mit der Tschomolungma zwar vermeiden könne, dafür torkelte er beinahe haltlos durch einen Himmel, der sich immer
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