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1273 - Upanishad

Titel: 1273 - Upanishad
Autoren: Unbekannt
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Nordosten an, sondern umfliegen ihn in weitem Bogen südwestlich und nähern ihm uns danach von Süden."
    „Wegen schlechter Wetterbedingungen?" erkundigte ich mich mit leiser Verwunderung, denn die Ortungs- und Orientierungssysteme eines Galaco-Hussar arbeiteten so optimal, daß man das Wetter vergessen konnte - und zwar jedes Wetter.
    „Mit Rücksicht auf die menschliche Optik", erwiderte die Positronik. „Du wolltest dir die Tschomolungma aus nächster Nähe mit eigenen Augen und direkt ansehen, Tiff."
    Ich schlug mir mit der flachen Hand an die Stirn.
    „Ein Gedächtnis wie ein Sieb!"
    Aber das war kein Wunder. Bei dem, was alles auf mich einstürmte, hätte ich das Gedächtnis NATHANS haben müssen, um mir alles zu merken, was halbwegs wichtig war.
    Ich beugte mich vor und schaute durch die Transparentkanzel schräg nach unten.
    Den Gipfel des Khumbutse hatten wir schon hinter uns gelassen. Direkt unter uns verlief ein helles Band. Das mußte der Khumbugletscher sein.
    Ich lächelte zufrieden. Gar so schlecht war mein Gedächtnis auch wieder nicht Ich hatte mich am Vortag detailliert über das Everestmassiv informiert - und ich wußte noch alles - oder fast noch alles.
    Zum Beispiel, daß die spitzen und hohen Nadeln, die auf dem unteren Teil der Gletscherzunge standen, Büßerschnee hießen und in der trockenen Luft durch einen besonderen Schmelzprozeß entstanden - und durch die extrem intensive Sonneneinstrahlung in dieser Höhe.
    Ich richtete den Blick weiter nach vorn und sah vor dem Hintergrund einer undurchdringlichen Wand aus weißen und schwarzen Wolkentürmen zwei weitere, augenfällige Gipfel. Der eine mußte die sogenannte Westschulter sein, der andere der Nuptse. Noch während ich hinsah, vollführte der Gleiter abermals einen Schwenk und zielte danach mit dem Bug genau zwischen die beiden Gipfel.
    Ich erinnerte mich an die Zeilen des englischen Forschers und Alpinisten Mallory, der etwa vierzig Jahre vor meiner Geburt den Tschomolungma, die Göttermutter der Tibeter, erforscht hatte. Er hatte damals den höchsten Berg der Erde mit einem ungeheuren weißen Zahn verglichen, der aus dem Schlund der Erde ragte.
    Aber diese Beschreibung lesen und die Wirklichkeit erleben, waren zwei grundverschiedene Sachen. Ich wunderte mich, warum ich bis heute das Everestmassiv nicht besichtigt hatte, denn ich erkannte, daß mir viel entgangen war.
    Der Anblick war einzigartig, großartiger noch als der Anblick eines eben entdeckten Planeten. Das Relief des Massivs war ausgesprochen schroff, schroffer, als ich es bei anderen Gebirgen gesehen hatte. Außer dem Nuptse und der Westschulter sah ich mehrere drei- und vierseitige Pyramiden, die durch tiefe Kare ausgehöhlt waren, in denen Gletscher entsprangen.
    Ich konnte mich gar nicht sattsehen. Soeben überflogen wir die Gletscherbrüche zwischen der Westschulter und dem Nuptse. Sie sahen aus, als hätten Riesen mit gigantischen Vorschlaghämmern die Gletscherströme zertrümmert. Die Bezwinger des Everest erschienen mir plötzlich in einem anderen Licht als bisher. Was sie geleistet hatten, um solche Hindernisse wie diese gewaltigen Gletscherbrüche zu überwinden, vermochten sich heute wohl nur noch wenige Leute vorzustellen.
    „Vor uns liegt die Westflanke des Mount Everest", meldete die Positronik.
    Ich kniff die Augen zusammen, denn soeben brachen Sonnenstrahlen gleich Laserschwertern durch die Wolkenwand, die sich von Nord nach Süd spannte. Dann rissen die Wolken auseinander. Ich sah mehrere weiße Sturzbäche, die sich einen Steilhang hinab ergossen. Weiße Fahnen stoben von ihnen weg.
    „Was ist das?" fragte ich und deutete zu den Phänomenen hin.
    „Es sind Lawinen", antwortete die Positronik. „Sie wurden wahrscheinlich durch den Orkan ausgelöst, der seit einundzwanzig Sekunden dort vorn tobt und ihnen die Schneefahnen entreißt. Achtung, Tiff, jetzt müßtest du trotz deiner unvollkommenen Menschenaugen den Gipfel des Mount Everest sehen können!"
    Ich erwiderte nichts darauf, denn plötzlich sah ich ihn.
    Es verschlug mir die Sprache. Alle Gipfel des Everestmassivs, soweit ich sie gesehen hatte, waren schneebedeckt, aber der Mount Everest hob sich als strahlend weißes Gebilde von ihnen ab. Er war der King! Nicht eine Sekunde lang zweifelte ich daran, daß das der Mount Everest war.
    Allerdings suchten meine Augen vergeblich nach dem „Märchenschloß" der Upanishad-Schule. Ich suchte nach allen möglichen und denkbaren Gründen dafür und dachte
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