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1246 - Die Opfergrotte

1246 - Die Opfergrotte

Titel: 1246 - Die Opfergrotte
Autoren: Jason Dark
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Sturm und schleuderte auch Schnee durch die offenen Fenster, aber das wilde Schreien und Heulen war hier weniger laut.
    Etwas hatte sich verändert. Der tote Sandro Amado saß nicht mehr auf der Bank. Sein Bruder hatte ihn dort fortgezogen und auf den Boden gelegt. Dort, wo es seiner Meinung nach am dunkelsten war.
    »Ich dachte, es ist besser so«, erklärte er, als er den erstaunten Blick des Templers bemerkte. »Schließlich wollen auch wir uns mal setzen - oder?«
    »Ja, das ist schon in Ordnung.«
    Amado zog eine Hand aus der Tasche und holte eine in durchsichtiges Papier eingewickelte Wurst hervor. Im Licht der Taschenlampe, die auf der Bank lag und ihren Strahl in die Dunkelheit schickte, sah der Templer, dass es sich um eine Salami handelte.
    »Hier, wenn du Hunger hast. Etwas Verpflegung trage ich immer bei mir. Sie ist mit Paprika und Chili gewürzt. Schmeckt gut. Manchmal braucht man das. Ich habe schon zwei gegessen.«
    »Danke, Jorge.« Der Templer entfernte die Hülle. Jetzt spürte auch er seinen Hunger.
    Amado hatte nicht übertrieben. Die Wurst schmeckte, und de Salier nickte anerkennend. »Sehr gut.«
    »Meine ich.« Jorge nahm die Lampe an sich und schaltete sie aus. »Das Licht brauchen wir nicht - oder«
    »Nein.«
    »Dafür dürfen wir warten. Es dauert nicht mehr lange, dann haben wir Mitternacht.« Er verzog den Mund. »Scheiß Zeit, aber ideal für Geister, oder?«
    »Das ist Aberglaube. Diejenigen, die uns ans Leder wollen, sind keine Geister.«
    »Soll ich ›leider‹ sagen?«
    »Das bleibt dir überlassen.« De Salier steckte sich den Rest der Wurst in den Mund.
    »Willst du noch eine?«
    »Nein!«
    Amado ging wieder zu einem der Fenster. Er schaute nicht hinaus, denn wieder fegte der Wind die harten Schneekristalle durch die Öffnung und schaufelte sie zu den anderen, wo sie liegen blieben und bei diesen Temperaturen nicht mal wegtauten.
    Jorge hatte seine Hände in den Ta schen vergraben und hob die Schultern. »Du hast nur einen gesehen, wie?«
    »Ja.«
    »Genau wie ich. Aber du glaubst nicht daran?«
    »Stimmt.«
    »Weißt du denn, mit wie vielen von ihnen wir rechnen mü ssen? Ich meine, so im Überblick.«
    »Tut mir Leid, da kann ich dir keine Antwort geben. Ich möchte auch nicht darüber nachdenken.«
    Jorge schwieg eine Weile. Er sah dabei auf die Maschinenpistole, die er auf die Bank gelegt hatte. »Es ist schon seltsam«, sagte er dann, »und ich begreife es immer noch nicht. Da fährst du allein hier hoch, um dich der Brut zu stellen. Warum? Weißt du eigentlich, was du dir damit antust?«
    »Sehr genau.«
    »Bist du ein Selbstmörder?«
    Ihm war nicht zum Lachen zu Mute, aber jetzt musste Godwin doch lachen. »Nein, das bin ich nicht. Aber jeder Mensch hat im Leben eine Aufgabe zu erfüllen. Das ist bei dir so, das ist auch bei mir nicht anders. Ich habe eben die Aufgabe übernommen, gewisse Mächte auszuschalten. Nicht mehr und nicht weniger.«
    Jorge staunte über die schlichten Worte. Er fragte dann: »Hast du niemals daran gedacht, auch verlieren zu können?«
    »Doch, das habe ich.«
    »Und?«
    »Ich verdränge es. Wenn jemand ein Erbe übernommen hat, so wie ich, dann muss er so handeln. Das geht einfach nicht anders. Das musst du verstehen, Jorge.«
    »Fällt mir schwer.«
    »Das kann ich wiederum verstehen.«
    Amado zuckte mit den Schultern. »Und ich habe immer gedacht, die Templer sind ausgestorben oder haben sich aufgelöst. Ist wohl ein Irrtum, wie ich jetzt erlebe.«
    »Es gibt sie noch. Zum Glück, Jorge. Aber nicht alle stehen auf der richtigen Seite. Eine nicht unbeträchtliche Zahl hat einen anderen Weg eingeschlagen. Für uns ist es wichtig, sie zu bekämpfen und sie nicht an die Macht kommen zu lassen. Wenn sie gewinnen, dann kann es den Menschen schlecht ergehen, denn sie leben nach den Regeln der Hölle und der Finsternis.«
    »Das ist zu hoch für mich.«
    »Nun ja, du hattest bisher auch nichts damit zu tun.«
    »Das stimmt«, erwiderte Jorge lachend. »Wir bekamen nur Ärger mit Bullen und Zöllnern. Hin und wieder mal Probleme mit irgendwelchen Konkurrenten.«
    »Sei froh.«
    »Na, das war auch kein Spaß.«
    Godwin ging wieder zu einem der offenen Fenster. Dahinter lag die Bühne, auf der das Schauspiel ablief. Es war ein Tosen und Heulen, ein Schreien und Jammern. Der Sturm tobte sich aus, und er entriss den Wolken ihre Ladung.
    Der Templer kannte das Wetter in dieser Gegend. Oft dauerten die Stürme nicht besonders lange. Dann zogen sie sich so
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