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1230 - Psychofrost

Titel: 1230 - Psychofrost
Autoren: Unbekannt
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NGZ, vor der Zündung Gorgengols, dem Aufbruch der Signalflamme in Richtung Milchstraße. Und wie alle Schiffe des bluesschen Flottenverbands war auch die YÜRZIIM mit dem ersten Element des Dekalogs, dem Element der Kälte, konfrontiert worden, und die Kälte hatte die YÜRZIIM gepackt und nicht mehr losgelassen.
    Toter Stahl und lebendes Fleisch wurden gleichermaßen schockgefrostet. Binnen Minuten sank die Temperatur auf den absoluten Nullpunkt von -273,16° Celsius - und sank weiter. Die YÜRZIIM fiel aus dem vierdimensionalen Kontinuum des Einstein-Universums in das Universum der Minuswelt.
    Aber Yürn starb nicht.
    Er veränderte sich. Der Sturz in die Minuswelt, die Abkühlung der Körpertemperatur auf -961° Celsius, er führte zu einer Metamorphose des Körpers und des Geistes. Wie alle Opfer des Elements der Kälte paßte sich Yürn seiner neuen Umwelt an und überlebte, auch wenn dieses Leben sich grundlegend von seiner alten Existenz unterschied.
    Ich weiß nicht, wie Yürn die Minuswelt wahrnahm. Ich weiß nicht, was er in jenem fremden Universum empfand, oder welche Erscheinungsform er dort annahm, oder wie sich dieser andere Kosmos seinen Sinnesorganen darbot. Kein Eisiger hat unsere diesbezüglichen Fragen beantwortet oder beantworten können. Uns bleiben nur Spekulationen.
    Aber ich, der ich das erste Opfer des Psychofrosts wurde, ich habe nach meiner Rettung Träume gehabt, und vielleicht waren es mehr als Träume, sondern Botschaften aus einer Welt, so fremd, daß unsere Sprache bei ihrer Schilderung versagt. Ich habe Bilder gesehen, unverständlich und bizarr; Visionen, so zerbrechlich, daß ich es kaum wage, sie in Worte umzusetzen. Doch einige dieser Bilder sind klar und scharf, und wenn ich die Augen schließe, sehe ich sie noch immer vor mir.
    Schneeflocken, blaugefroren, und Eiszapfen, die wie glitzernde Türme den Fluß der Zeit säumen, und der Zeitstrom selbst ist in der barbarischen Kälte der Minuswelt erstarrt. Und wie die Zeit, so ist auch der Raum gefroren und von einer dicken Eiskruste bedeckt, und über dem Eis tanzen Schneeflocken, und einige Flocken tragen Gesichter. Ich sehe Yürns Gesicht, das Gesicht eines Blues, mit Tellerkopf und Katzenaugen. Die Augen sind kristallisiert und spiegeln das frostige Licht tiefgekühlter Sonnen, die nichts mit unseren Sonnen gemein haben, sondern wie große, majestätische Eisblumen an der ungeheuren Fensterscheibe eines Himmels sind, der sich in die Unendlichkeit erstreckt. Yürn wirbelt über die weiße Wüste des Raumes, und ich spüre, daß er glücklich ist, und da sind noch andere wie er, und sie knistern und knirschen im Frostlicht der kalten Sonnen.
    Ich behaupte nicht, daß diese Bilder die Realität der Minuswelt wiedergeben. Sie sind nur Annäherungen, Symbole für Dinge, die unsere Sinnesorgane nicht wahrnehmen, unsere Gehirne nicht verarbeiten können. Aber wie alle Symbole enthalten sie eine tiefe Wahrheit.
    Angepaßt an die metapolaren Umweltbedingungen der Minuswelt, führte Yürn das Leben eines Eisigen, und bald vergaß er sein altes Leben als Blue, seine Herkunft, seine Vergangenheit. Vielleicht erinnerte er sich dann und wann, doch wenn dies so war, müssen ihm seine Erinnerungen wie ein böser Traum erschienen sein. Und dann - unvermittelt, unerwartet - barst das Eis der Minuswelt. Ein bodenloses Loch entstand im stahlhart gefrorenen Raum-Zeit-Kontinuum, und ein brutaler Sog erfaßte Yürn, und wieder stürzte er aus seiner Welt, fiel durch das Nichts zwischen den Universen und materialisierte in einem Kosmos voller namenloser Schrecken.
    In unserem Kosmos.
    An Bord der KISCH.
    Da war er nun, und der Schmerz hatte vorübergehend sein Bewußtsein ausgelöscht.
    Von Raureif überzogen, lag er auf dem Boden des Ersatzteillagers. Doch diesmal kam es zu keiner Metamorphose. Yürn blieb ein Kind des Minuswelt. Seine Körpertemperatur betrug nach wie vor -961° Celsius, obwohl er sich in einem Universum befand, dessen tiefstmögliche Temperatur um rund 700° Celsius höher lag.
    Wieso wurde er nicht als Fremdkörper abgestoßen? Wieso kehrte er, nicht in die Minuswelt zurück? Und wieso paßte sich seine Körpertemperatur nicht nach und nach der Temperatur an Bord der KISCH an?
    Wir wissen es nicht. So weit fortgeschritten die terranische Wissenschaft auch ist ,noch immer gibt es Rätsel, die sie nicht zu lösen vermag. Natürlich hat man kluge Theorien aufgestellt. Waringer hat postuliert, daß jeder Eisige nach wie vor Teil der
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