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1229 - Psionisches Roulette

Titel: 1229 - Psionisches Roulette
Autoren: Unbekannt
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meine Bitte hin gestattete mir mein Schöpfer einmal, mich während des Schaffensprozesses im Reflektor zu beobachten. Als ich sah, wie mein Oberkörper abgeschnürt wurde, sich zu einer geometrischen Form bildete und letztlich von mir getrennt wurde, war das ein arger Schock für mich. Ich war entsetzt über diese Verunstaltung, diese Verstümmelung meiner Schönheit.
    Aber als ich dann sah, wie sich mein Oberkörper allmählich wieder zu seiner ursprünglichen Form herausbildete und ich mein Aussehen wieder zurückbekam, da gewann ich meine Selbstsicherheit zurück - zusammen mit der Gewißheit, daß meine Schönheit unzerstörbar war.
    Es war nur wichtig, daß ich die abgegebene Körpersubstanz wieder ersetzte. Das war mir möglich, indem ich bei oder nach einem jeden Produktionsprozeß Nahrung zu mir nahm. Dies konnte ich jederzeit und überall tun, indem ich die unter meinem Körper lagernde Materie absorbierte. Und es kam mir entgegen, daß ich jede Art von Materie absorbieren und durch entsprechende molekulare Umgruppierung auch verdauen konnte.
    Es war, profan ausgedrückt, der umgekehrte Prozeß wie bei der Produktion.
    Nach Abschluß der Testserie sagte mein Schöpfer zu mir: „Ich werde dich Clio nennen. In meiner Muttersprache bedeutet das soviel wie die Eitle, die Einmalige. Und obwohl dir viele folgen werden, wirst du immer einmalig bleiben. Denn ich billige dir als einziger Chyline eine Schwäche zu. Ich belasse dir deine Eitelkeit - Clio."
    Als ich ihm in das starre Auge in der Körpermitte blickte, merkte ich an dem nervösen Zucken des haarfeinen Kranzes von Sinnesorganen, daß er gerührt war.
    „Es ist schade, daß man ein so wundersames Geschöpf wie dich zum Dasein einer Fließbandarbeiterin degradiert", sagte er weiter, und sein Mundschlitz unter dem großen Sehorgan bekam einen bitteren Zug. „Aber vielleicht bekommst du später, wenn die Große Rekonstruktion in die nächste Phase tritt, eine deinen Fähigkeiten adäquate Aufgabe zugeteilt, Clio. Es wäre zu schade, würden deine Fähigkeiten ungenützt bleiben.
    So, und jetzt heißt es Abschied nehmen. Du mußt deiner Bestimmung nachkommen."
    „Wohin schickst du mich? Läßt du mich allein?"
    „Ins Vagenda. Du wirst dort nicht lange allein sein. Schon bald werden dir andere Chylinen folgen und sich mit dir eine verantwortungsvolle Aufgabe teilen."
    „Werde ich dich wieder sehen?"
    „Bestimmt. Ich komme dich besuchen. Ich muß doch sehen, wie es meiner Clio geht.
    Und dann werde ich dir eines Tages vielleicht auch die Hintergründe erklären. Vorerst aber genügt es, wenn du die Anforderung gen einfach erfüllst, die man an dich stellt.
    Bewahre dir den Glauben an deine Schönheit, Clio, damit du dich bis in alle Ewigkeit von den anderen Chylinen unterscheidest. Du sollst noch in Schönheit erstrahlen, wenn es mich längst nicht mehr geben wird."
    Damals war ich sehr ergriffen, später erschien mir dieser Abschied aber denn doch als überaus rührselig. Trotzdem erinnerte ich mich gerne daran, denn ich habe ein sensibles Wesen, das für Gefühle jeder Art empfänglich ist.
    Ich liebte meinen Schöpfer - und dabei kannte ich noch nicht einmal seinen Namen, noch wußte ich, welchem Volk er angehörte.
     
    *
     
    Das Vagenda ist ein unbeschreiblicher Ort.
    In meiner Erinnerung ist es ein mächtiges Gebilde ohne bestimmbare Form, ganz aus Gold. Es ist ein Ort aus goldener Energie jeder Konsistenz, mal flüssig und mal fest, flüchtig wie Gas und gleichzeitig fest wie härteste Materie.
    Ich glaube, ich hatte mit dem Vagenda nur als Energiequelle zu tun. Das Vagenda lieferte uns Chylinen nur das Rohmaterial, den Werkstoff für unsere Produkte. An mehr erinnere ich mich nicht. Ich erinnere mich nicht einmal daran, auf welche Art und Weise es uns Befehle gab. Wir wußten einfach, was wir zu tun hatten.
    Mein DU wurde auf irgendeine Weise angesprochen - und ich reagierte einfach. Ich produzierte, und ich produzierte lange Zeit ohne zu wissen, was ich eigentlich tat.
    Und genauso erging es all den vielen Tausenden anderen Chylinen. Jeder hatte seinen speziellen Aufgabenbereich und produzierte Jahr um Jahr.
    Immerhin wurde uns bald klar, daß jeder von uns nur eine Teilkonstruktion fertigte. Erst Hunderte dieser Teile, von denen viele eins wie das andere aussahen, ergaben ein großes Ganzes.
    Die Große Rekonstruktion?
    Nun sind wir Chylinen intelligent genug, um auch im Geist die Teile eines Zusammensetzspieles aneinanderfügen zu können. So
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