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1204 - Der Häuter

1204 - Der Häuter

Titel: 1204 - Der Häuter
Autoren: Jason Dark
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dass er es war. In diesen Augenblicken versuchte ich, eine gewisse Voreingenommenheit zu unterdrücken, was mir leider nicht gelang, denn dieser Mann musste auf einen normalen Menschen, der auch versuchte unvoreingenommen zu sein, einfach einen schlimmen Eindruck machen.
    Durch seinen Beruf hatte Ben Navis indirekt mit dem Tod zu tun. Ich wollte nicht behaupten, dass er auch aussah wie der Tod, aber viel fehlte nicht.
    Er war das, was man als einen scheußlichen Menschen bezeichnet. Zum bleichen Gesicht mit der glatten Haut kam noch die Kopfform, die mich wirklich an die eines Totenschädels erinnerte. Dazu passten auch die wenigen Haare, die straff zurückgekämmt waren. Ein breiter Mund mit schmalen Lippen und breite Schultern, sodass der Oberkörper recht eckig wirkte.
    Lange Arme mit breiten Händen und überraschend langen Fingern, ein grauer Overall, darunter ein dunkler Pullover mit leicht ausgefransten Ärmeln, und an den Füßen trug er staubige Arbeitsschuhe mit dicken Schutzkappen.
    Er schaute mich aus Augen an, die für mich irgendwie keine waren, sondern einfach nur flache Kiesel und diese zudem noch nachgeschliffen. Augen sagen viel über einen Menschen, ebenso wie Hände. Sie können Gefühle widergeben. Freude, Wut, auch Hass, doch in diesen Augen sah ich einfach gar nichts. Sie schauten mich nur starr an. Mir fiel auch die Nase auf, deren Löcher sich nach außen drehten und den Vergleich mit Nüstern nicht zu scheuen brauchten. Selbst die Haut am Kinn war glatt, ebenso wie die am Hals.
    Wir hatten uns nur Sekunden angeschaut, doch diese Zeitspanne kam mir mehr als doppelt so lange vor.
    Ich war derjenige, der in Bens Welt eingedrungen war, und deshalb übernahm ich auch das Reden.
    »Guten Abend…«
    Er nickte nur.
    »Sind Sie Ben Navis?«
    »Warum fragen Sie?«
    »Ganz einfach. Weil ich mit Ihnen reden will, Mr. Navis.«
    Jetzt runzelte er die Stirn. »Sie schon, aber vielleicht will ich nicht mit Ihnen sprechen.«
    »Das sollten Sie sich überlegen, denn…«
    »Sind Sie ein Bulle?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Weil Sie so aussehen.«
    »Das sehe ich zwar anders, aber da Sie mich schon so direkt gefragt haben, kann ich das nicht abstreiten. Ich heiße übrigens John Sinclair.«
    »Wusste ich doch.« Er bewegte jetzt leicht seinen Kopf. »Wo sind die anderen?«
    »Welche anderen?«
    »Ihre Kollegen. Bullen kommen nie allein, die bringen immer welche mit. Ist doch klar.«
    »Sie kennen sich aus.«
    »Das muss man. Aber was wollen Sie hier?«
    »Ich wollte eigentlich mit Ihnen über gewisse Dinge reden, Mr. Navis. Sie können sich unter Umständen denken, um was es da geht?«
    »Nein.«
    »Vier Tote sind eine Menge. Vier zuviel.«
    Er lachte. Er warf dabei den Kopf zurück. »Ich wusste ja, dass der Wind daher weht. Ihr wollt mir die Leichen anhängen. Klar, Ihre Kollegen haben das oft genug versucht. Aber sie hatten keinen Erfolg. Nichts, vorbei. Sie haben es nicht geschafft. Und jetzt hat man Sie geschickt. Wie ein Dieb sind Sie auf mein Grundstück eingedrungen. Wollten es im Alleingang versuchen. Halten sich wohl für einen zweiten James Bond…«
    Ich unterbrach ihn mit einer Feststellung. »Sie haben die Menschen getötet, Mr. Navis.«
    »Ach.«
    »Sie sind der Irre mit der Sense.« Ich fuhr bewusst ein volles Geschütz auf. Ich wollte ihn aus der Reserve locken.
    Er grinste. Die Zähne sahen aus wie Klumpen. »Was Sie alles wissen, Mister.«
    »Ja. Die anderen auch. Man ist davon überzeugt, dass Sie die Menschen umgebracht haben. Und nicht nur das. Sie haben ihnen sogar die Haut von den Körpern abgezogen. Wie Hannibal Lecter in seinem Streifen.«
    »Ach, den kennen Sie…?«
    »Wer kennt ihn nicht?«
    »Das ist gut«, flüsterte Navis. »Dann wissen Sie auch, dass Hannibal zum Schluss entkommen ist. Man konnte ihn nicht fassen. Er ist einfach zu gut gewesen.«
    »Stimmt. Allerdings nur im Kino. Man möchte sich schließlich eine Fortsetzung vorbehalten. Aber das war ein Film. Im Leben kommt es selten zu Fortsetzungen. Das sollten Sie wissen, Navis. Da gibt es andere Regeln. Vier Tote sind genug. Ich werde keine mehr zulassen. Und ich werde nicht eher von hier verschwinden, bis ich die Sense gefunden habe, mit der sie die Menschen gekillt haben, bevor sie sich an ihnen zu scha ffen gemacht haben.«
    Navis sagte nichts. Er schaute mich nur an. In seinen Augen sah ich keine Veränderung, und doch verhielt er sich irgendwie anders. Möglicherweise kam mir das auch nur so vor, denn von ihm
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