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1178 - Die vierte Weisheit

Titel: 1178 - Die vierte Weisheit
Autoren: Unbekannt
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eine: Ich habe nirgendwo angerufen oder sonst wie Nachricht hinterlassen", antwortete Malone. Zwölfjährige sind keine ausgefeilten Menschenkenner, sonst hätte Perry bemerkt, daß Onkel Ken sich Mühe gab, seiner Aufregung Herr zu werden. „Aber das hat nicht unbedingt etwas zu sagen", fuhr er fort. „Kann sein, daß irgendwo jemand aufgeschnappt hat, daß du zu Besuch erwartet wirst, und sie haben sich ausgerechnet, daß ich es sein müßte, der dich vom Bahnhof abholt."
    Um zu beweisen, daß er der Sache keine weitere Bedeutung beimaß, begann er, eine muntere Melodie zu pfeifen. Perry rutschte in seinem Polstersitz ein wenig in sich zusammen. Er spürte, daß Onkel Ken den Unbeeindruckten lediglich spielte, aber er wußte nicht, was er davon halten sollte.
     
    *
     
    Am nächsten Morgen sah die Welt viel schöner aus. In strahlendem Blau wölbte sich der Himmel über der flachen, langgestreckten Insel zwischen dem Atlantik auf der einen und dem Banana sowie Indian River auf der anderen Seite, deren am weitesten nach Osten vorspringender Punkt Cape Canaveral genannt wurde. Die Sonne schien mit einer Intensität, die dem Jungen aus Neuengland in den Augen weh tat, als er um elf Uhr endlich aufstand und den ersten verschlafenen Blick aus dem Fenster warf.
    Die Regierung der Vereinigten Staaten hatte für die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Banana River Naval Air Station eine eigene Wohnsiedlung mitsamt den üblichen Einrichtungen wie PX, Kino, Ballspielplatz usw. geschaffen. Colonel Malone bewohnte ein geräumiges Einfamilienhaus in unmittelbarer Nähe des Hauptquartiers. Als Unverheiratetem, der kein Familiengeld bezog, stand ihm eine Haushälterin zu. Sie war füllig, schwarz, etwa dreißig Jahre alt und hieß Belinda. Sie schloß den Jungen sofort in ihr mütterliches Herz, als er frisch gewaschen und mit einer neuen Kluft angetan aus dem Badezimmer trat.
    „Bist du sicher, du hast lange genug geschlafen?" erkundigte sie sich besorgt, nachdem die Zeremonie der gegenseitigen Vorstellung beendet war. „Ein Junge wie du - um drei ins Bett und um elf schon wieder auf, das ist nicht gut für die Gesundheit."
    Perry beruhigte sie. Acht Stunden seien genug, meinte er. Außerdem habe er nicht vor, einen derart herrlichen Tag zu verschlafen.
    „Du mußt Hunger haben, Junge", erklärte Belinda energisch.
    Hunger - ja, den hatte er. Wenn es allerdings nach Belinda gegangen wäre, dann hätte er noch weitaus hungriger sein müssen; denn von der Portion Rührei mit Speck, Bratwurst, Toast, Butter und Grits, die sie ihm vorsetzte, ließ Perry fast die Hälfte übrig, was Belinda abermals in Sorge versetzte.
    „Du wirst ewig so dünn bleiben, wenn du nicht anständig ißt", klagte sie.
    Nachdem sie abgeräumt hatte, machte sie Perry mit dem Plan des Tages bekannt.
    „Der Colonel hat gesagt, wir sollen hinunter zum Strand gehen. Bis zwei Uhr heute Nachmittag, hat er gesagt. Dann kommt er dich abholen und bringt dich zur Schule, um dich vorzustellen. Magst du das?"
    „Das mag ich", bekannte Perry eifrig.
    Belinda musterte ihn mißtrauisch.
    „Du wirst nicht etwa schwimmen wollen?" erkundigte sie sich.
    „Warum nicht?"
    „Das Wasser ist noch viel zu kalt. Stell dir vor - erst Ende April!"
    „Wie kalt?" wollte Perry wissen.
    „Zwei-, dreiundzwanzig Grad, so ungefähr."
    Perry lachte.
    „Wenn wir an den Long Island Sound zum Baden fahren, sind wir froh, wenn's achtzehn Grad hat", sagte er. „Zweiundzwanzig, das ist brühwarm!"
    Belinda forschte in seiner Miene, ob er sie womöglich auf den Arm nehmen wolle. Als sie feststellte, daß es ihm ernst war, brummte sie: „Hab' doch gewußt, daß ihr da oben im Norden nicht alle fünf Sinne beisammen habt."
    Während des Tages benützte Kenneth Malone einen Dienstwagen, so daß Belinda sein klappriger Chevrolet zur Verfügung stand. Trotz Perrys eifrigen Protests packte die Haushälterin einen Picknickkorb mit so viel Proviant, daß notfalls eine halbe Kompanie davon hätte leben können. Dann brachen sie auf.
    Perry kam sich wie im Paradies vor. Einen solchen Strand hatte er noch nie erlebt. Er wollte sofort ins Wasser stürmen, aber Belinda bestand darauf, ihn halbfingerdick mit Sonnencreme einzuschmieren.
    „Das wäre ja noch schöner", murmelte sie, während sie mit kräftigen Fingern die klebrige Substanz in die Haut massierte, „wenn ein zartes Jüngelchen aus dem hohen Norden bei uns gleich am ersten Tag einen Sonnenbrand bekäme."
    Die Sonne meinte
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