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1124 - Aus dem Reich der Toten

1124 - Aus dem Reich der Toten

Titel: 1124 - Aus dem Reich der Toten
Autoren: Jason Dark
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Gestalten waren alles andere als Engel.
    Sie sahen aus wie Menschen, aber das war auch schon bei dem Killer mit dem Gesicht meines Vaters der Fall gewesen. Unter ihnen sah ich kein bekanntes Gesicht. Sie alle waren mir fremd, und sie schoben sich allmählich aus dem Hintergrund hervor und verließen ihre Deckungen. Für mich waren es böse Gestalten, die sich der Bevölkerung der Erde irgendwie angepaßt hatten, als wollten sie einen Durchschnitt bilden, allerdings nur den der negativen Menschen.
    Ich sah Rocker in dicker Lederkleidung. Ich sah Punks mit gefärbten Haaren. Ich sah Killertypen, die Mäntel und Sonnenbrillen trugen und Waffen in den Händen hielten. Revolver und Maschinenpistolen, aber keine Kettensägen. Ich sah einen Glatzkopf, der ein Schlachtermesser in seiner rechten Hand hielt und mit der Breitseite der Schneide ständig über seine Kehle fuhr.
    Beim ersten Hinschauen war ich noch voller Neugierde gewesen. Dieses Gefühl verschwand sehr bald, denn es schuf einem anderen Platz. Einfach nur dem Schock, der Angst, die einen fürchterlichen Druck bei mir ausübte.
    Gleichzeitig mußte ich mir eingestehen, daß ich die Lage unterschätzt und mich selbst überschätzt hatte. Ich war trotz allem nicht darauf vorbereitet gewesen, daß Lalibela mit dieser geballten Macht erschien! Leider erlebte ich kein Musical. Diese circensisch aussehenden Gruppe war gekommen, um mich zu vernichten. Jeder aus ihr konnte mich töten. Eine genau gezielte Kugel würde reichen, und Lalibela sonnte sich im Gefühl seiner Macht.
    Seine veränderten Engel waren nicht weiter nach vorn gekommen. Sie umstanden ihn nach wie vor wie Leibwächter, die allen Anfeindungen der Welt trotzten.
    Sie warteten auf sein Zeichen, aber der König der Bienen ließ sich Zeit damit. Er wollte mich sehen und wollte auch mein Verhalten genau beobachten.
    »Nun, letzter der Sinclairs, siehst du noch eine Chance für dich?«
    Ob ich der letzte Sinclair war, wußte ich nicht mit Bestimmtheit. Das war auch jetzt unwichtig. Ich ließ ihn in seinem Glauben. Daß ich lachte, darüber wunderte ich mich selbst, aber es paßte zu meiner Antwort. »Ich habe dich für stärker gehalten, Lalibela, und auch für mutiger. Ich hätte nie gedacht, daß du dir eine kleine Armee holen mußt, um einen einzigen Menschen zu töten. Tut mir leid, aber da enttäuschst du mich.«
    »Ich handle so, wie ich es für richtig halte. Ich weiß, wie gefährlich du bist. Unsere Wege hätten sich auch nie gekreuzt, hätte es nicht deinen Vater gegeben. So aber mußt du dafür büßen, was er mir angetan hat. Und es gibt kein Zurück.«
    Das sah ich selbst. Allmählich stieg die Furcht in mir hoch. Ich hörte mein Herz laut schlagen, doch zugleich wurde es wie von unsichtbaren Händen eingeklemmt.
    Die Bundeslade hatte mich nicht getötet. Der Teufel hatte es nicht geschafft. Viele andere auch nicht. Sollte ich hier auf dem Friedhof in Lauder tatsächlich das Ende meines Wegs erreicht haben?
    Mir rann ein Schauer nach dem anderen über den Rücken hinweg, und ich wartete förmlich darauf, daß einer dieser verfluchten Engel seine Waffe anhob und eine Kugelgarbe auf mich abfeuerte.
    So einfach wollte Lalibela es mir nicht machen. Er streckte mir seine freie Hand entgegen und befahl wieder in seinem scharfen Flüsterton. »Dreh dich um und geh!«
    Es war ein kleines Wunder, daß ich noch spotten konnte. »Willst du mir in den Rücken schießen?«
    »Nein!« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe etwas anderes mit dir vor. Jeder meiner Freunde ist begierig darauf, dich zu vernichten, und ich habe ihnen versprochen, daß es auch so geschehen wird. Du wirst leiden müssen, bevor dich der Tod in sein Reich zieht. Zuerst werden wir dich nur verletzen. Wir wollen dich vor Schmerzen schreien hören. Doch erst die letzte Kugel oder der letzte Stich mit dem Messer wird für dich tödlich sein.«
    »Und worauf wartest du dann?« fragte ich und hörte, wie heiser meine Stimme geworden war.
    »Wir haben einen besonderen Platz für dich ausgesucht, John Sinclair. Dort wirst du hingehen…«
    »Wohin?«
    »Zum Grab deiner Eltern!«
    ***
    Nora Thorn saß auf der schweren Kawasaki, als hätte sie nichts anderes getan, als diese Maschine jeden Tag zu fahren. Sie konnte perfekt mit ihr umgehen und fuhr die schmale Straße hinab, die von der Ruine wegführte.
    Der Motor lief so leise wie möglich. Sie wollte kein Aufsehen erregen und niemand stören.
    John Sinclair war verschwunden. Sein Wagen tauchte
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