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1122 - Der Prophet des Teufels

1122 - Der Prophet des Teufels

Titel: 1122 - Der Prophet des Teufels
Autoren: Jason Dark
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hinweg trieb, »ich werde dann sterben, wenn der Allmächtige es für richtig hält. Und nicht nach den Regeln Ihres verdammten Kartenspiels. Dieses Gottvertrauen habe ich.«
    Der Prophet legte den Kopf schief und grinste breit. »Wenn Sie sich das nicht mal täuschen, Herr Mielke.«
    »Bestimmt nicht. Und Sie verschwinden jetzt. Sofort. Ich will Sie hier nicht mehr sehen.«
    Der Prophet drückte die Krempe seines dunklen Huts noch weiter nach oben. Er wollte sein Gegenüber genau anschauen können. »Im Gegensatz zu Ihnen und allen anderen Menschen habe ich mich nicht geirrt. Sie, Herr Pfarrer, haben die Karte des Todes gezogen. Sie haben das Schicksal herausgefordert. Die Karte lag in Ihrer Hand. Sie gehört Ihnen, sie gehört zu Ihnen, und nichts kann Ihr Schicksal mehr beeinflussen.«
    »Gehen Sie!« zischte Mielke den Fremden an. »Oder ich vergesse meine gute Erziehung.«
    »Das können Sie, Herr Pfarrer. Sie können alles. Sie können nur nicht Ihrem Schicksal entwischen. Und das wissen Sie auch, schätze ich mal. Ich sehe Ihnen die Angst direkt an. Sie fürchten sich, und Sie haben auch allen Grund dazu.« Er hob die rechte Hand zum Gruß und drehte dem Geistlichen die Fläche zu. »Bis bald. Wir sehen uns…«
    Danach ging er weg. Er schritt an der linken Grabseite entlang und sprach kein Wort mehr. Er kümmerte sich nicht um die Zuschauer, sein Weg war vorgezeichnet.
    Alle schauten ihm nach. Sie sahen, dass er locker ausschnitt und sein Cape in einem schon lustigen Rhythmus auf und nieder schwang. Es war nichts zu hören. Auf dem Kies hätten seine Tritte ein Knirschen hinterlassen müssen, doch er bewegte sich auf den Rand des Friedhofs zu wie ein Geist. Und er hatte die Grenze auch bald erreicht.
    Dort blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. Alle schauten hin, und alle sahen auch, was mit dem unheimlichen Fremden passierte.
    Er hätte jetzt durch das Tor gehen können, was er wohl auch tat, doch genau in diesem Augenblick kam es zu der Veränderung. Die Gestalt bewegte sich auf eine bestimmte Art und Weise. Sie schien keinen Kontakt mehr mit dem Boden zu haben, und sie begann, in sich selbst zu zittern. Aus ihr hervor entstand ein großer dunkler Gegenstand. Ein Schatten aus Knochen.
    Ein Skelett?
    Keiner sah es genau, denn als sich die Menschen von ihrem Schreck erholt hatten, da war die Gestalt des Propheten verschwunden. Ein leichter Wind streifte über den Friedhof hinweg, aber er kühlte nicht die Gesichter der Menschen.
    Sie blieben vor dem offenen Grab stehen. Keiner von ihnen wusste, was er sagen sollte. Der Schock über das Erlebte stand in ihren Gesichtern geschrieben. Jemand, der sich als Prophet bezeichnete, hatte die Beerdigung gestört und ihnen auf eine bestimmte Weise klarmachen wollen, an welch seidenem Faden ihr Leben hing. Doch nur einen hatte es richtig getroffen, er hatte die beiden Karten gezogen.
    Auch Pfarrer Mielke war bleich geworden. Er hätte sich jetzt bessere Nerven und auch mehr innere Stärke gewünscht. Dann hätte er etwas sagen und die Menschen womöglich beruhigen können. Das schaffte er nicht. Es wollte ihm kein Wort des Trostes einfallen.
    Wenn er darüber nachdachte, dann dachte er ins Leere, und genau so sah sein Blick aus.
    Die Frau mit dem Kopftuch kam auf ihn zu und blieb neben ihm stehen. Sie stand kurz vor der Pensionierung, gehörte zu den Alten, aber sie wusste Bescheid oder ahnte zumindest, dass hier etwas Schreckliches geboren worden war.
    »Hat uns der Teufel besucht?« fragte sie so leise, dass nur der Pfarrer die Worte verstehen konnte.
    »Teufel? Nein. Es war ein Prophet.«
    »Ja, der Prophet des Bösen. Manchmal versteckt sich der Satan auch. Er kann alles Mögliche sein, Herr Pfarrer. Schauen Sie in der Bibel nach. Dort steht es geschrieben.« Sie schlug hastig ein Kreuzzeichen. »Für mich ist es der Teufel gewesen…«
    Nach diesen Worten machte sie kehrt und ging. Sie kümmerte sich auch nicht um die anderen, sondern fand allein den Weg zum Ausgang des kleinen Friedhofs.
    Der Pfarrer blieb zurück. Er stand starr vor dem Grab. Die Wolken lagen noch immer sehr dicht, und darunter hatte sich eine widerliche Schwüle ausgebreitet.
    Im Kirchturm schlug die Glocke dreimal an. Der Klang wehte auch über den Friedhof, und der Pfarrer hatte den Eindruck, von dem Läuten geweckt zu werden. Fort aus dem bösen Traum, wieder hinein in die Wirklichkeit. Er wandte sich an diejenigen, die noch zurückgeblieben waren.
    »Wir haben alle erlebt, was hier
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