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111 - Das Spukschloß

111 - Das Spukschloß

Titel: 111 - Das Spukschloß
Autoren: Dämonenkiller
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miteinander ab. Unter einem Kastanienbaum stand das Kriegerdenkmal.
Wir ehren die Toten des großen Krieges 1914-18.
Es folgten die in alphabethischer Reihenfolge angeordneten Namen.
    Woetzhold näherte sich der Kapelle. Das rote Totenlicht schien ihn wie ein Zyklopenauge anzustarren. Die Scheiben der Kapelle waren blind vor Dreck. Efeu rankte sich um die Mauern. Irgendwo raschelte es im Gebüsch. Ein Uhu schrie.
    Woetzold zuckte zusammen. Kalte Schauer liefen ihm über den Rücken. Er wischte über die Scheiben. Als er sich in einer Efeuranke verfing, flatterte ein Nachtfalter auf. Die wie mit Puder bestäubten Flügel streiften sein Gesicht. Angeekelt sprang er zurück.
    Dann erregte das Totenlicht in der Kapelle erneut seine Aufmerksamkeit. Er sah einen blumengeschmückten Altar mit Kerzen und links und rechts vom Katafalk niedrige Holzbänke. Der Sarg schimmerte matt.
    Eine Tote! Der Reporter wollte sich umdrehen und weglaufen, doch irgend etwas faszinierte ihn.
    Das Mädchen war ungewöhnlich schön. Das Totenhemd hüllte ebenmäßige Schultern ein die so glatt wie kostbarer Marmor waren. Pechschwarze Haare fielen auf das Kissen. Die Lippen waren kirschrot wie bei einer Lebendigen.
    Woetzold senkte den Blick. Es kam ihm wie eine ungeheuerliche Verschwendung der Natur vor, daß dieses Mädchen sterben mußte.
    Als er erneut hinsah, hatte sie die Position verändert. Nur ein paar Zentimeter, aber immerhin so viel, daß es der Reporter sofort bemerkte. Sie lebt! dachte er entsetzt und erleichtert zugleich. Ich muß sie aus der Kapelle holen. Die frische Nachtluft wird ihr guttun.
    Die Tür war verschlossen. So sehr er am wuchtigen Türgriff rüttelte, sie ließ sich nicht öffnen. Wieder sah er durchs Fenster. Diesmal erschrak er. Das Mädchen lag zwar noch im Sarg, aber sie hatte sich furchtbar verändert. Die makellose Haut war über und über mit abscheulichen Beulen übersät, Warzen und ein rasch wucherndes Fell bedeckten das ovale Gesicht; die geöffneten Augen waren glanzlos.
    Woetzold schrie laut auf, als sich die Beulen des Leichnams öffneten. Wie von einer Riesenfaust wurde der Leichnam hochgehoben, sackte dann wieder in sich zusammen und verspritzte den dämonischen Saft.
    Woetzold übergab sich würgend. Als er sich wieder einig anaßen gefangen hatte, sah er die schwankenden Gestalten, die quer über den Friedhof kamen. Sie waren unförmig und groß. Einer trug eine Axt.
    Dämonen, dachte der Reporter gehetzt. Gespenster! Grauenhafte Bestien aus dem Zwischenreich. Ich muß weg. Sie bringen mich um.
    Auf einmal kamen ihm die Dinge, über die er bisher geschrieben hatte, gar nicht mehr so abwegig vor. Doch darüber machte er sich jetzt keine Gedanken. Er hatte Angst; und diese Angst rührte nicht aus seiner Kindheit her, wie er so oft scherzhaft erklärt hatte.

    Die Irrwische Luguris tauchten im Gehölz unter. Sie hatten genug gesehen, um ihrem Meister berichten zu können.
    Die Pilger hielten sich sklavisch an ihre Anweisung. Sie waren schon vierundzwanzig Stunden unterwegs. Ohne Pause marschierten sie durch den Bayerischen Wald. Sie mieden die einsamen Gehöfte und Siedlungen, durchquerten Fichtenschonungen und krochen die steilen Hänge hoch; sie verlangten weder nach Wasser noch Brot; sie waren genügsam; ihr freier Wille war längst ausgeschaltet worden.
    Abi Flindt gehörte zur Mannschaft des Dämonenkillers. Er trauerte immer noch um Dorian Hunter, den er für tot hielt. Er hatte eine ganze Menge unternommen, um Dorians Tod aufzuklären, und wurde niemals das Gefühl los, seine engsten Freunde wüßten mehr darüber als er. Unga war Diener des Hermes Trismegistos'. Er hüllte sich in Schweigen. Coco hatte - so dachte Abi verbittert - allen Grund zu schweigen. Sie hatte den Dämonenkiller seiner Meinung nach in den Tod getrieben.
    Abi blieb einen Moment stehen. Die Pilger schlurften weiter. Sie liefen vorgebeugt durch den Wald. Keiner sagte ein Wort. Ihre Kleider raschelten unheimlich. Es waren fast hundert.
    Abi strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Er war breitschultrig und muskulös und konnte die große Anstrengung des Marsches gut verkraften, ohne schlappzumachen; dennoch wünschte er sich, endlich am Ziel anzukommen. Wo war das Ziel? Irgendwo in den dichten Wäldern des Großen Arber? Oder vielleicht drüben auf tschechoslowakischer Seite.
    Abi pflückte ein paar Brombeeren. Die überreifen Früchte zergingen auf seiner Zunge. Spinnweben verfingen sich zwischen seinen
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