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1080 - Hexenwald

1080 - Hexenwald

Titel: 1080 - Hexenwald
Autoren: Jason Dark
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aus den Nasenlöchern, aus dem linken Auge und sogar aus dem geschlossenen Mund wuchsen dünne, biegsame Zweige mit kleinen Blättern dran. Der Tote sah aus, als wäre er von Pflanzen umgebracht worden…
    ***
    Es dauerte eine Zeit, bis sich der Junge von seinem Schock etwas erholt hatte. Dann wunderte er sich über sich selbst, daß er nicht geflüchtet war und noch immer neben der schlimm aussehenden Leiche hockte, als hätte man ihm befohlen, sie für eine Weile zu bewachen.
    Die Kleidung war noch längst nicht getrocknet, und Jens fühlte sich wie von feuchten Lappen eingepackt. Er zitterte zudem, aber nicht nur vor Kälte, sondern auch vor Angst. Tote tun nichts, das wußte er schon, trotzdem spürte er die Furcht wie einen Druck, die seinen gesamten Körper umklammert hielt.
    Der Schock ging allmählich vorbei, und Jens fand sogar den Mut, sich zu bewegen. Bisher hatte er nur den Kopf des Toten gesehen. Sein Körper wurde vom übrigen Teil des Busches versteckt. Um ihn zu sehen, mußte der Junge erst einige Zweige zur Seite biegen. Er konnte selbst nicht sagen, warum er das alles tat, da war einfach eine Kraft, die ihn dazu antrieb.
    Es klappte auch. Jens brauchte nur ein wenig auf der nassen Erde vorzurutschen.
    Dann sah er den Toten ganz!
    Was der Junge jetzt zu sehen bekam, das übertraf bei weitem seinen Verstand und das Begriffsvermögen. Der Tote war ein Mensch, aber er sah nicht mehr so aus wie einer. Aus ihm war etwas anderes geworden, denn der Körper sah aus wie ein von der Natur geschaffenes Unding.
    Das war keine Haut mehr. Das war schon mehr Rinde. Sie schimmerte braun und grün. Durch die Nässe hatte sie auch einen bestimmten Glanz bekommen. Aus allen möglichen Stellen wuchsen Zweige hervor. Kleine Blätter. Manche grün, andere dunkel. Grünlicher Schleim und feuchtes Moos hatten sich zusätzlich abgesetzt. Es war für Jens unmöglich, dafür eine Erklärung zu finden.
    Er sah wieder das Gesicht an.
    An einigen Stellen war die Haut aufgerissen. Dort hatte sich die andere Natur auch wieder freie Bahn verschaffen können. Das alles konnte er nicht begreifen. Vor ihm lag etwas, das er nicht einmal in einem Film gesehen hatte.
    Zudem schien der untere Teil des Körpers in der nassen Böschung vergraben zu sein. Die linke Hand lag noch relativ frei. Die Finger waren auch anders geworden. Sie wirkten mehr wie krumme Stümpfe, deren Enden sich gegen die Erde drückten.
    Widerlich…
    Jens Küppers war nicht in der Lage darüber nachzudenken, wie alles gekommen war. Er wollte das Schreckliche auch nicht mehr sehen. Es ekelte ihn einfach an. Für ihn war jetzt wichtig, daß er dieses Bild aus seinem Gedächtnis strich und weglief.
    Er stand auf.
    Dabei hörte er sich selbst keuchen und weinen zugleich. Er zitterte am ganzen Körper. Trotz der kalten Luft schwitzte er. Sein eigenes Schicksal hatte er vergessen. Das Treiben durch das schlammige Wasser war schlimm genug gewesen, aber was er hier entdeckt hatte, konnte er nicht fassen.
    So etwas mußten die Erwachsenen herausfinden, und er konnte nur hoffen, so schnell wie möglich Hilfe zu finden…
    ***
    Harry Stahl hatte die Tür geöffnet und das schmucklose Büro betreten. Er zog den Mantel aus, den er an einen Garderobenständer hängte. Beobachtet wurde er dabei von einem Mann, der es sich hinter einem Schreibtisch bequem gemacht hatte und versonnen gegen die Fensterscheibe blickte, an deren Außenseite der Regen in zittrigen Schlieren herabrann.
    »Setzen Sie sich, Harry.«
    »Danke.« Harry nahm auf einem Holzstuhl mit leicht nach innen gebogener Sitzfläche Platz. »Aber sagen Sie nichts über das Wetter. Es gibt momentan kein anderes Thema hier in Deutschland.«
    Der Mann hinter dem Schreibtisch lächelte schmal und schaute Harry an, der einen grauen Cordanzug und ein dunkelblaues Hemd trug. Die Haare waren etwas lang geworden und hatten ebenfalls einen Grauschimmer bekommen, doch die Augen des Agenten blickten hellwach, und seine Haut zeigte noch die Sonnenbräune vom letzten Urlaub, den Harry Stahl im Süden verbracht hatte.
    »Ihnen geht es gut, Herr Stahl.«
    »Ich kann nicht klagen.«
    »Gut, schön zu hören. Dann können wir mal.«
    »Das dachte ich mir.«
    Stahls Gegenüber zog die Schublade auf. »Aus reinem Vergnügen habe ich Sie nicht nach Köln kommen lassen, wir haben da schon einige Probleme und denken, daß Sie der richtige Mann sind, um sie zu lösen. Die Sache in Oberstdorf im vorigen Jahr haben Sie auch gut über die Bühne
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