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1038 - Der Seelen-Kerker

1038 - Der Seelen-Kerker

Titel: 1038 - Der Seelen-Kerker
Autoren: Jason Dark
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beide auf einer Wellenlänge gelegen. Ihre Ansichten über die Vergangenheit hatten sich gedeckt, und er hatte auch die Worte des Abbé nicht vergessen. Sie waren für Alexandre so etwas wie ein Mutmacher bei seinem letzten Besuch gewesen.
    Der Abbé hatte ihm geraten, sich bei irgendwelchen Schwierigkeiten direkt an ihn zu wenden. Und Capus bezweifelte, daß dies nur leere Worte gewesen waren.
    Er vertraute Abbé Bloch.
    In dieser nächtlichen Stunde und am Schreibtisch sitzend, faßte er seinen Plan. Er würde sich so schnell wie möglich mit dem Abbé in Verbindung setzen und ihm vor allen Dingen die Kassette zuschicken. Dann konnte sich der Templer-Führer ein eigenes Bild machen.
    Über den Entschluß dachte Capus nicht mehr lange nach. Er machte sich daran, ihn in die Tat umzusetzen. Aus der Schublade des Schreibtisches holte er Packpapier. Darin wickelte er die Videokassette ein. Während dieser Arbeit schaute er auf seine zitternden Finger und spürte wieder, wie der Schweiß auf seiner Oberlippe klebte. Briefmarken waren noch genug im Haus, um das kleine Paket frankieren zu können. Es war so schmal, daß es in einen Briefkasten paßte. Frankiert und verklebt ließ Alexandre es auf dem Schreibtisch liegen. Er wollte keine Sekunde mehr verlieren und das Päckchen noch in der Nacht einwerfen.
    Capus zog sich an. Es war nicht mehr warm draußen. Über Paris lag ein Schwall kalter Luft aus dem Nordwesten. Deshalb streifte er über den Pullover seine gefütterte Lederjacke, deren Reißverschluß er nicht schloß. Das kleine Päckchen steckte er in die Innentasche seiner Jacke und verließ die Wohnung.
    Vier Stockwerke mußte er runter. Einen Lift gab es in diesem alten Haus nicht. Dafür roch es feucht und muffig. Die Luft strömte aus den schon kalt gewordenen Wänden, in denen sich im Sommer oft Ungeziefer versteckte.
    In der kälteren Jahreszeit würde es wieder hervorkriechen und den Wohnungen einen Besuch abstatten. Das kannte Capus vom letzten Jahr. Beschwerden beim Hausbesitzer hatten jedoch nichts gebracht. Der Kerl zeigte sich stur. In Paris konnte jedes Loch zu einem hohen Preis vermietet werden. Über die alte Holztreppe gelangte Capus nach unten. Das Licht im Flur verdiente den Namen kaum, so daß sich auf den Stufen auch Schatten abzeichneten, die viel verdeckten und einen Menschen beim Hinabgehen zur Vorsicht mahnten.
    Er kam unten an, ohne einmal gestolpert zu sein. Die Haustür war nicht abgeschlossen, ließ sich aber schwer aufziehen.
    Eine Stadt wie Paris schlief nie. Wenn das zutraf, dann wohnte Alexandre Capus an einem Ort, der eine Ausnahme bildete, denn in dieser Umgebung war es still.
    Auf den Bürgersteigen hielt sich niemand auf. Das lag nicht einmal an der Zeit – im Sommer war hier oft die Hölle los – das Wetter trug daran die Schuld. Es war verdammt kalt geworden. Der Atem eines Menschen bildete vor den Lippen einen Nebel. Am Boden war sicherlich schon die Frostgrenze erreicht.
    In dieser Straße gab es keinen Briefkasten. Da mußte Capus schon um die Ecke gehen. In der Parallelstraße konnte er sein Päckchen einwerfen.
    Er ging schnell und schlich zugleich. Dabei hielt er sich stets nahe der alten Hauswände, als sollten sie ihm Schutz bieten. Nicht vor der Kälte, die erwischte ihn trotzdem und drang durch den Pullover auf die Haut.
    Capus kürzte den Weg ab, indem er durch eine Einfahrt ging, in der es nach Urin roch. Bei diesen Temperaturen lag kein Penner mehr auf dem Boden und schlief oder trank vor sich hin. Nur die Gerüche waren geblieben.
    In der Parallelstraße sah es anders aus. Da ballte sich die Dunkelheit zwar auch zusammen, wurde jedoch durch die farbigen Lichter zahlreicher Reklameleuchten unterbrochen. Es gab hier mehrere Lokale, in denen man trinken und essen konnte.
    Nicht nur französisch. Es waren Gerichte aus der gesamten Welt vertreten. Asiatische und afrikanische Küche gaben sich hier ein Stelldichein. Auch deswegen, weil hier zahlreiche Zuwanderer lebten und sich heimatlich eingerichtet hatten.
    Der Briefkasten war an einer Hauswand angebracht worden. Dort wurde er vom Licht einer Laterne getroffen, so daß er schon von weitem zu sehen war. Noch immer ging Capus schnell. Er mußte auf Zeugen wie ein Gehetzter wirken. Er hoffte auch, das richtige zu tun, und er wollte endlich seine Angst vergessen. Wenn im das gelang, dann verschwanden hoffentlich auch seine Träume.
    Schweratmend blieb er vor dem Briefkasten stehen. Wieder zitterten seine Hände, als er
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