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1038 - Der Seelen-Kerker

1038 - Der Seelen-Kerker

Titel: 1038 - Der Seelen-Kerker
Autoren: Jason Dark
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kein Vibrieren. Für ihn hatte sich nichts geändert. Aber vor ihm gerieten nicht nur die Gebeine in Bewegung, auch der Boden und die Steine blieben nicht mehr ruhig, weil sich von unten her etwas aus ihm hervordrückte.
    Der Mann schaltete seine eigenen Gedanken aus. Für ihn gab es einzig und allein das neue Ziel. Capus erkannte jetzt, daß sich an dieser bestimmten Stelle, an der das Geschehen ablief, der Boden etwas gesenkt hatte und dort eine Mulde entstanden war.
    Sie brach auf.
    Es entstanden Risse im Boden. Spalten, um dem genügend Platz zu schaffen, das in der Tiefe gelauert hatte. Etwas, das mit dem menschlichen Verstand nicht zu begreifen war, das die Menschen jedoch akzeptieren mußten.
    Er kam hoch. Steine knirschten mit ihren Seiten gegeneinander, als würden sie gemahlen. Kleinere unter ihnen platzten einfach weg oder wurden als rauhe Splitter in die Höhe geschleudert. Die Erde war aufgewühlt. Eine unheimliche Macht lauerte in der Tiefe. Möglicherweise hatte sie schon die Jahrhunderte überdauert und war erst jetzt, durch das Erscheinen eines Menschen, aus ihrem finsteren Schlaf gerissen worden.
    Alexandre Capus wunderte sich über seine Ruhe. Er filmte, was die Kamera hergab. Er zitterte nicht einmal. Er hielt genau drauf, und es kümmerte ihn nicht, daß der Schweiß von der Stirn rann und schmale Bahnen auf seinen Wangen hinterließ. Er klebte auch auf der Oberlippe. Drang in den Mund. Schmeckte salzig. Das alles war für Capus nicht wichtig. Er allein wußte, daß er zum Zeugen eines Ereignisses geworden war, das mit den normalen Gesetzen der Physik nicht mehr zu erklären war.
    Der Boden war innerhalb der Mulde aufgerissen. Es hatte sogar ein Loch gegeben. Capus konnte es nicht optimal genug sehen. Deshalb trat er einen Schritt nach vorn, auch wenn ihn das Licht dort nicht mehr so optimal begleitete.
    Der Mann filmte wie besessen. Die Mulde verbreiterte sich nicht mehr. Sie war zu Ruhe gekommen, und in ihr oder tief in ihrem Innern entstand jetzt eine gewisse Unruhe, weil etwas in die Höhe geschoben wurde. Noch war für den Filmer nicht zu erkennen, was sich aus dem Schoß der Erde ins Freie drückte.
    Jedenfalls war es nicht dunkel. Es schimmerte hell, auch weil es vom Licht erwischt wurde.
    Der Mann kannte die Farbe.
    Knochen.
    Ausgebleichte Knochen. Diesmal allerdings waren es Schädel, die ins Freie gedrückt wurden und wie dicke, nicht zerplatzende Blasen die Oberfläche der Mulde bedeckten.
    Totenköpfe – jede Menge Totenköpfe!
    Capus hatte sich so weit in der Gewalt, daß er nicht einmal zitterte. Er tat nur seine Pflicht. Er filmte wie besessen. Die Geräusche der gegeneinander schabenden Totenschädel nahm er wie am Rande wahr, ohne sich weiter darum zu kümmern. Das gehörte einfach dazu. Er hatte auch sein Denken ausgeschaltet. Nur noch optisch nahm er die Umgebung wahr, und die verschlimmerte sich von Sekunde zu Sekunde. Die Schädel waren erst die Vorhut. Darunter befand sich das eigentliche Grauen, und das wußte der Mann. Der Feind würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Durch sein Kommen hatte ihm Capus die Tür geöffnet, und jetzt wollte er auch sehen, welcher Gast ihm bald gegenüberstand.
    Die Kraft drückte gegen die Schädel. Sie krachten jetzt. Das schon angegriffene Gebein splitterte auf. Die Teile spritzten davon, als hätte jemand sie weggeworfen.
    »Merde… merde!« flüsterte der Filmer, ohne dabei weiterhin auf seine eigene Stimme zu achten. Er kam sich vor, als würde er neben sich stehen. Aber er tat seine Pflicht und bannte das Geschehen auch weiterhin auf die Kassette.
    Dann sah er die Hand!
    Es geschah so plötzlich, daß er zusammenzuckte und die Kamera dabei verriß. Sie war zwischen den blanken Schädeln erschienen, als wollte sie nach einem von ihnen greifen und ihn wie einen Ball durch die Gegend schleudern.
    Capus wußte nicht genau, welche Farbe die Hand hatte. Im Licht der Scheinwerfer sah eben alles bleich aus. Es wunderte ihn schon, daß es keine hautlose Totenklaue war, die sich zwischen den Schädeln hervorgeschoben hatte. Für ihn war es eine Pranke. Mit einer dicken, muskulös wirkenden Haut überzogen, die sich auch am Gelenk und später am Arm fortsetzte.
    Jemand stieg aus der Tiefe hervor. Die Hand und der Arm waren nur der Beginn gewesen. Es ging weiter. Die Schädel, die auch jetzt noch halbkreisförmig in der Mulde lagen, gerieten durch den erneuten Druck wieder in Bewegung, drehten sich hin und her, klapperten gegeneinander,
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