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1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten
Autoren: Osman Engin
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todmüde. Jetzt lass mich rein.‹
    ›Ich nicht, die … die ist tot!‹
    ›Wer ist tot? Die Klaus?‹
    ›Nein, die Inge!‹
    ›Eminanim, du träumst ja im Stehen, leg dich sofort hin.‹
    ›Sieh doch, da liegt sie, die Inge!‹
    ›Bei Allah, da liegt ja wirklich eine Frau auf dem Boden!‹, schrie zur Abwechslung ich.
    ›Sag ich doch, die Inge ist tot!‹
    ›Eminanim, woher weißt du, dass diese tote Frau nicht Klaus … öhm … ich meine, woher weißt du, dass diese tote Frau tot ist … äh, woher weißt du, dass diese tote Frau eine Inge ist?!‹, stotterte ich völlig schockiert und dem Durchdrehen gefährlich nahe.
    ›Doch, doch! Die tote Frau hier ist die Inge!‹
    ›Ich glaube, ich träume, ich leg mich besser sofort hin.‹
    ›Osman, bist du bescheuert? Du kannst dich doch nicht einfach zu einer toten Frau hinlegen, verdammt!‹
    ›Bei Allah, wenn das kein Albtraum ist, dann weiß ich auch nicht, was es ist‹, murmelte ich entsetzt.
    ›Wir müssen sofort die Polizei anrufen. Dein Kumpel Klaus hat mit Sicherheit die arme Inge mit dieser schweren Metallvase erschlagen!‹
    ›Wieso das denn? Vielleicht hat sie ja Selbstmord begangen.‹
    ›Du Spinner! Wie viele Leute kennst du, die sich mit einer Metallvase umgebracht haben?‹
    ›Eminanim, woher kennst du eigentlich diese tote Inge aus Schwerte?‹
    ›Als ich die Inge kannte, lebte sie noch!‹
    ›Ich fass es nicht! Wir sind zum ersten Mal in dieser Stadt, wir besuchen zum ersten Mal meinen Kumpel Klaus, wir finden zum ersten Mal eine tote Frau auf dem Boden, und du sagst, dass du sie kennst. Findest du das nicht selbst etwas eigenartig? Oder ist diese Inge womöglich eine berühmte Persönlichkeit, die man kennen sollte? Ist das etwa die Inge Meysel? Bei Allah, mein Kumpel Klaus hat Inge Meysel umgebracht!‹«
    »Was? Die Inge Meysel wurde umgebracht?«, unterbricht mich der Meister mit großen Augen.
    Ich schaue höchst theatralisch völlig besorgt auf die Uhr und rufe total erschrocken:
    »Herr Viehtreiber, mein Bus, ich verpasse meinen Bus!«
    »Warte mal, wie ist die Geschichte denn ausgegangen?Weshalb warst du im Knast?«, brüllt er und springt mit meiner Kündigung in der Hand auf.
    »Dafür habe ich jetzt überhaupt keine Zeit«, rufe ich und stelle ihn, mich und mein Schicksal auf eine harte Probe. »Ich muss leider sofort weg! Wie die Geschichte weitergeht, erzähle ich Ihnen morgen, versprochen ist versprochen«, schlage ich ihm schlitzohrig einen Diil vor.
    Pointe gegen Kündigung! In Sekundenschnelle sende ich ein Stoßgebet gen Himmel, dass Herrn Viehtreibers Neugier auf das Ende dieser Mordgeschichte in ungeahnte Höhen steigen möge.
    »Also gut, komm morgen wieder, einen Tag darfst du noch in Halle 4 arbeiten«, ruft er mir hinterher.
    Toll! Es hat geklappt! Ich laufe direkt zu meinem Wagen. Ich habe den Viehtreiber nicht angelogen, mein Ford-Transit ist ja im Grunde auch so was wie ein Bus. Aber der wäre ohne mich wohl kaum weggefahren.

    Während der Fahrt nach Hause überlege ich mir, wie ich diese schreckliche Wahrheit meiner Frau einigermaßen schonend beibringen kann, damit sie mich nicht auch noch rauswirft. Von wo auch immer: aus der Küche, aus dem Schlafzimmer, aus dem Bett! Sie hatte mir außerdem verboten, die Mordgeschichte in der Fabrik auszuplaudern.
    »Eminanim, stell dir vor, bei uns in Halle 4 wurden heute auf einen Schlag ein Dutzend Leute gekündigt«, werde ich ihr sagen.
    »Und was ist mit dir?«, wird sie sicherlich voller böser Vorahnungen fragen.
    »Ich darf noch einen Tag arbeiten!«
    Ich glaube, so richtig schonend ist das nicht. Eminanims Gesichtsausdruck vor meinem geistigen Auge lässt dieses Gefühl jedenfalls nicht aufkommen.

    »Mein Gott, du wirst gekündigt?«, stammelt sie mit völlig versteinertem Gesicht. Diesmal nicht vor meinem geistigen, sondern vor meinen verblüfften richtigen Augen, und fällt fast in Ohnmacht.
    »Das ist nicht gesagt«, halte ich dagegen und sie fest im Arm. »Eigentlich sollte ich ja mit allen anderen zusammen heute gekündigt werden. Daraufhin habe ich angefangen dem Meister eine Geschichte zu erzählen. Deshalb darf ich morgen wieder kommen, um den Rest der Geschichte zu erzählen.«
    »Toll! Mit anderen Worten, du wirst morgen rausgeschmissen!«
    »Aber wenn ich ihm morgen nach der Schicht noch eine andere Geschichte erzähle, kriege ich vielleicht noch einen weiteren Tag Aufschub.«
    »1001 Nacht in Deutschland also?«
    »Nein, 1001 Nächte muss ich ihn
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