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100 - Des Teufels Samurai

100 - Des Teufels Samurai

Titel: 100 - Des Teufels Samurai
Autoren: Dämonenkiller
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Japan.

    Der Garten lag bereits im Schatten. Nur noch die Türmchen des Palastes wurden von der Sonne beschienen. Das Gemäuer hatte breite Risse, die Dachbalken waren verbogen, und die Schindeln waren verwittert. Die Dächer wiesen große Löcher auf, und die Fenster, die im Schatten lagen, wirkten wie große leere Augenhöhlen.
    Dorian sah die Schatten schnell an den Türmen hochklettern. Bald würde die Nacht hereinbrechen. Er suchte vergeblich nach den blühenden Kirschbäumen.
    Vor ihm war dichtes Gestrüpp. Dornen verfingen sich in seinen Beinen, und Äste schlugen ihm ins Gesicht. Wo war der gepflegte Garten?
    Von irgendwoher erklang der klagende Ruf eines Vogels, und Dorian glaubte die Silben Ho-to-to-gi-su zu verstehen.
    Er bahnte sich weiter seinen Weg, bis sich das Gestrüpp lichtete und er ans Ufer eines kleinen Teiches kam. Das Wasser war trübe. Schlingpflanzen formten seltsame Ornamente. Dorian las unheilschwangere Bedeutungen heraus. Er sah Gesichter von Kobolden und Irrwischen.
    Sein Kopf ruckte hoch. Er hatte sich nicht getäuscht. Im Wasser funkelten Lichter. Doch es waren nur die Spiegelungen von Windlichtern auf der anderen Seite des Ufers.
    Eine Prozession festlich gekleideter Gestalten tauchte dort auf. Er sah Frauen und Männer in goldbestickten Kleidern und mit blauseidenen Umhängen, die innen rot gefüttert waren. Andere trugen weite, wallende Beinkleider aus kostbaren Stoffen.
    Manche Männer hatten die Köpfe geschoren. Andere trugen eine Tonsur und bunte Stirnbänder. Die Frauen hatten ihr Haar zu kunstvollen Frisuren hochgesteckt und hielten die Laternen.
    Dorian erblickte fast hundert Personen, die sich schweigend dem Ufer des Teiches näherten. Das Seltsamste war, daß sie ihre Gesichter gespenstisch geschminkt hatten. Manche Gesichter waren völlig weiß - auch die Lippen und Augen. Andere hatten die Augenbrauen nachgezogen und die Tränensäcke durch eine andere Farbe hervorgehoben. Manche hatten Linien auf die Stirn gezeichnet und die Mundwinkel durch verschiedene Farbtöne verlängert, was ihnen einen Ausdruck von Grimmigkeit oder auch von Trauer verlieh.
    Wieder hörte Dorian den unbekannten Vogel klagen, und es schien ihm, als komme die seltsame Prozession bei diesem unheimlichen „Ho-toto-gi-su" zum Stillstand. Doch dann herrschte Stille, setzten sich alle wieder wie auf Kommando in Bewegung.
    Endlich hatten alle das Ufer des Teiches erreicht, und sie knieten nieder. Die Frauen setzten ihre Laternen auf die Wasseroberfläche und gaben ihnen einen Stoß, so daß sie hinaustrieben. Gleich darauf geriet das Wasser in Bewegung - als würden Fische und andere Bewohner des Teiches von dem Licht angezogen.
    Dorian wartete gespannt der das, was kommen würde. Einige der Männer und Frauen griffen plötzlich blitzartig ins Wasser. Sie holten irgend etwas Zappelndes heraus und steckten es sich in die Münder, darauf bedacht, ihre Schminke nicht zu verwischen.
    Dorian wandte sich angewidert ab.
    Er wollte auf die andere Seite des Teiches und der Prozession folgen, wenn sie sich wieder entfernte. Waren es Mitglieder einer Sekte? Diese Erklärung erschien ihm am plausibelsten.
    Er mußte sich wieder einen Weg durch dichtes Gestrüpp bahnen, wobei er einigen Lärm verursachte.
    Doch es kam ihm zugute, daß der Klagevogel wiederum sein trauriges Lied anstimmte.
    Endlich gelangte Dorian in wegsameres Gelände. Vor ihm führte ein Pfad an einer Trauerweide vorbei. Er stockte, als er dort eine Bewegung wahrnahm. Und wieder ertönte das unheimliche Rufen des Nachtvogels.
    Hinter dem Stamm des uralten Baumes trat eine kleine, zierliche Gestalt hervor, die ähnlich gekleidet war wie die Teilnehmer der Prozession. Doch das Gesicht dieses Mannes war nicht geschminkt. „Schweift mein Blick zu der Stelle, von wo ich den Ruf des Hototogisu hörte - siehe, nichts ist da als die bleiche Mondsichel", sagte der Mann mit einer Stimme, die Dorian vertraut war. Und er sprach akzentfreies Englisch.
    „Sie können den Hototogisu hören, aber nie werden Sie ihn zu Gesicht bekommen", fuhr der Japaner fort. „Man erzählt sich unheimliche Dinge über diesen Klagevogel, und man sagt, er sei kein Geschöpf der wirklichen Welt, sondern ein Nachtwanderer aus dem Lande der Dunkelheit."
    „Wer sind Sie?" fragte Dorian, obwohl er den kleinen Japaner längst erkannt hatte.
    „Ich heiße Hideyoshi Hojo", antwortete der kleine Mann. „Und ich habe Sie hier erwartet. Das heißt, Sie sehen aus wie jemand, den ich
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