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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz
Autoren: Karl May
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Finders‘bezeichnet. So wurde eine überall gefürchtete Gesellschaft von Freibeutern genannt, die sich seit längerer Zeit im südlichen Arizona berüchtigt gemacht hatte. Sie tauchte bald hier, bald dort, oft geteilt und an verschiedenen Orten zu gleicher Zeit auf und entwickelte, da ihre Mitglieder sehr gut beritten waren, in Beziehung auf die Ortsveränderung eine solche Schnelligkeit, daß es noch niemand, selbst den Vigilanzmännern nicht, gelungen war, einem von ihnen beizukommen. Finderist gleichbedeutend mit dem gleichlautenden deutschen Wort Finder, war hier aber wohl mit ‚die Findigen‘ zu übersetzen, weil ihnen nicht leicht eine Beute zu entgehen vermochte.
    Plötzlich verstummte der Lärm vor der Schenkhütte, und alle Augen richteten sich verwundert auf drei neue Ankömmlinge, welche auf dem Platz erschienen. Das Aussehen dieser drei Männer berechtigte allerdings einen jeden, der sie zum erstenmal sah, verwundert zu sein. Sie waren von ihren Tieren gesprungen und gingen nach einem leerstehenden Tisch, ohne, wie es den Anschein hatte, die anwesende Gesellschaft zu beachten.
    Der vorderste von ihnen war ein kleines, sehr dickes Kerlchen. Unter der wehmütig herabhängenden Krempe eines Filzhutes, dessen Farbe, Alter und Gestalt selbst dem schärfsten Denker ein nicht geringes Kopfzerbrechen verursacht haben würde, blickte zwischen einem Wald von verworrenen, schwarzgrauen Barthaaren eine Nase hervor, welche von fast erschreckenden Dimensionen war und jeder beliebigen Sonnenuhr als Schattenwerfer hätte dienen können. Infolge des gewaltsamen Bartwuchses waren außer diesem so verschwenderisch ausgestatteten Riechorgan von den andern Gesichtsteilen nur zwei kleine, kluge Augen zu bemerken, welche mit einer außerordentlichen Beweglichkeit begabt zu sein schienen und mit dem Ausdruck schalkhafter List die ‚Gifthütte‘ des Irländers überflogen, während ihr versteckter Blick eigentlich den zwölf Finders galt.
    Die beschriebene Oberpartie ruhte auf einem Körper, der bis auf die Knie herab völlig unsichtbar blieb und in einem alten, bockledernen Jagdrock stak, welcher augenscheinlich für eine bedeutend längere Person angefertigt worden war, aus Fleck auf Fleck und Flick auf Flick bestand und dem kleinen Männchen das Aussehen eines Kindes gab, welches sich zum Vergnügen einmal in den Schlafrock des Großvaters gesteckt hat. Aus dieser mehr als zulänglichen Umhüllung guckten zwei dürre, sichelkrumme Beinchen hervor, die in ausgefransten Leggins steckten, welche so hochbetagt waren, daß diese das Männchen schon vor Jahrzehnten ausgewachsen haben mußte und die dabei einen umfassenden Blick auf ein Paar Indianerstiefel gestatteten, in welchen zur Not der Besitzer in voller Person hätte Platz finden können. Die Füße hatten jene außerordentliche Dimension, von welcher man in Deutschland zu sagen pflegt: „Mit fünf Schritten über die Rheinbrücke hinüber.“ In der Hand trug dieser Mann eine Flinte, die das Aussehen eines alten Prügels hatte, der im Wald abgeschnitten worden war. Die Waffen, welche wahrscheinlich in seinem Gürtel steckten, konnte man nicht sehen, weil der Jagdrock sie verdeckte.
    Und sein Pferd? Es war kein Pferd, sondern ein Maultier, aber augenscheinlich ein so altes, daß die Eltern desselben kurz vor der Sintflut gelebt haben mußten. Die langen Ohren, mit denen es wie mit Windmühlenflügeln spielte, waren kahl; eine Mähne war es wohl schon längst nicht mehr; der Schwanz bestand aus einem nackten Stummel, an welchem sich zehn oder zwölf Härchen langweilten, und dazu war das Tier wirklich zum Erschrecken dürr. Aber seine Augen waren hell wie bei einem jungen Füllen und von einer Lebhaftigkeit, einem Ausdruck, welche wenigstens dem Kenner Respekt einzuflößen vermochten.
    Derjenige, der ihm nach dem Tisch folgte, war nicht weniger ein Original. Unendlich lang und entsetzlich fleischlos und ausgetrocknet, hing seine knochige Gestalt weit vornüber, so daß es schien, als gebe es für seine Augen keine andre Perspektive als diejenige auf seine beiden Füße, welche an zwei Beine gewachsen waren, deren Längsausdehnung einem angst und bange machen konnte. Über seine festen, kernigen Jagdschuhe hatte er ein Paar lederne Gamaschen geschnallt, welche noch ein gutes Stück des Oberschenkels bedeckten, der Leib steckte in einem eng anliegenden Kamisole, das mittels eines breiten Gürtels, in und an welchem neben Messer und Revolver die verschiedensten kleinen
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