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0988 - Die Magnetfrau

0988 - Die Magnetfrau

Titel: 0988 - Die Magnetfrau
Autoren: Jason Dark
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es so gut wie nicht vorhanden oder nur Einbildung.
    Celia stellte auch fest, daß ihre Sinne sensibilisiert worden waren. Sie nahm die Gerüche im Wagen jetzt viel deutlicher wahr.
    Der Geruch nach Mottenpulver vermischte sich mit dem von Zwiebeln und Knoblauch sowie anderen Gewürzen. In ihrer Nähe traf ein internationales Publikum zusammen. Jeder aß irgendwie anders.
    Entsprechend mischten sich auch die Ausdünstungen.
    Wann wurde es endlich heller?
    Noch nicht. Aber das Kribbeln blieb. Es stieg nicht mehr höher, es wurde nur kraftvoller, und Celia bemerkte schon, wie sich die kleinen Härchen auf ihrer Haut bewegten.
    »Nicht jetzt!« flüsterte sie vor sich hin. »Um Himmels willen, nicht jetzt, bitte…«
    Sie konnte nichts tun. Der Zug schien zu kriechen. Plötzlich flackerte das Licht.
    Celia erschrak. Lag es an ihren Kräften, daß so etwas passiert war?
    Sie rechnete sogar mit dem Eintreten der Dunkelheit, aber das passierte zum Glück nicht.
    Das Licht erholte sich nach dem kurzen Flackern wieder und blieb von nun an normal. Auch außen nahm die Helligkeit zu. Der Tunnel verschwand. Sie rollten in die nächste Station. Ihrem Gefühl nach mußte sich der Zug auf der anderen Seite der Themse befinden, aber die genaue Station kannte sie nicht. Bevor sich die Türen öffneten, drängte sich Celia bereits in die Nähe, wo auch schon andere standen.
    Endlich konnte sie raus und wurde, zusammen mit einem Schwall von Fahrgästen, auf den Bahnsteig gespült, hinein in die vorläufige Sicherheit. Celia wußte, daß sie nicht normal ging, sondern mehr taumelte, aber das machte ihr nichts aus. Sie ging so, wie ihre Beine sie trugen. Weg, hin zu der Treppe, die sie hochlaufen mußte, um endlich ins Freie zu gelangen.
    Die ersten Stufen verschwammen vor ihren Augen. Sie waren verdreckt, mit Papier beklebt. Büchsen polterten ihr von oben entgegen, und sie hielt sich dicht an der linken Seite, um den Gegenstrom der Menschen nicht zu stören.
    Dann endlich war sie oben. Auch in der Station und auf der engen Treppe hatte sie schon Panik bekommen. Celia lief zum Gitter am Einstiegsschacht und lehnte sich dagegen. Sie mußte erst einmal zu sich selbst finden, beugte sich zurück und keuchte.
    Nicht weit von ihr entfernt hatte ein Mann beinahe die gleiche Haltung eingenommen. Er war älter als sie, trug eine Baskenmütze, die den größten Teil seines dunklen Haars verdeckte und im starken Gegensatz zu dem bleich wirkenden Gesicht stand. Der Mann trug einen dunklen Mantel und einen Schal um den Hals. Unter dem Mantelsaum schauten Hosenbeine hervor.
    Zwar nahm Celia die Gestalt nur am Rande wahr, aber dieser kurze Sichtkontakt erinnerte sie an ein scharfes Foto, denn sie hatte sich zahlreiche Einzelheiten merken können.
    Sie sah auch, daß sich der Mann nicht um sie kümmerte, sondern in einen Hamburger biß, an dessen Rändern Ketchup wie dickes Blut nach unten rann.
    Er aß. Er war glücklich. Er würde bald satt sein. Er kümmerte sich nicht um andere.
    Und ich sehe schon Gespenster, dachte Celia. Ich bin hier in einer normalen Welt, in einer normalen Umgebung. Die einzige Person, die nicht normal reagiert, bin ich.
    Irgendwie freute sich die junge Frau darüber, wieder so denken zu können. Und sie merkte auch, daß der innere Druck verschwunden war.
    Es kam kein Schweiß mehr nach. Der Rest hatte sich abgekühlt und klebte auf ihrer Stirn.
    Bevor sie ging, schaute sie sich erst einmal um.
    Ja, sie befand sich bereits jenseits der Themse im Southwark. Allerdings nicht in einer sehr guten Gegend, auch nicht nahe der Themse, sondern weiter südlich, in der Nähe des Nelson Square. Die Häuser hier waren alt und hoch. Die Straßen wurden von ihnen regelrecht eingeklemmt, deshalb wirkten sie auch mehr wie Gassen, und nicht alle Häuser waren bewohnt. Es gab einige, in denen sich niemand aufhielt. Blinde Scheiben oder einfach nur Fensterlöcher in dem rötlichen Ziegelsteingemäuer wiesen darauf hin.
    Celia ging.
    Sie wollte einfach weg.
    Sie mußte gehen, denn sie brauchte Ruhe. Sie wollte mit sich selbst ins reine kommen. Auf dieser engen, aber belebten Straße war das nicht möglich. Es gab einfach zu viele Ablenkungen, nicht nur aus Menschen bestehend, sondern auch aus Gerüchen, Musik, Stimmen und fahrenden Autos.
    Auch das Betreten einer Gasse war von ihr nicht gelenkt worden. Nur fand sie hier mehr Ruhe. Sie ging weiter, hörte in der Nähe das Quietschen einer Winde oder eines Krans, schaute dorthin, wo es heller war
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