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0973 - Das verfluchte Volk

0973 - Das verfluchte Volk

Titel: 0973 - Das verfluchte Volk
Autoren: Andreas Balzer
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ihren Tribut.
    »Raúl, bitte, ich brauche diese Nummer.«
    Der Mann am anderen Ende der Leitung zögerte. Er hatte Angst, das konnte sie selbst am Telefon deutlich hören. »Das kann mich meinen Job kosten.«
    »Als ob dich das bisher abgehalten hätte. Was ist denn nur los mit dir?«
    Jeder Journalist, der nicht nur nachplappern wollte, was die Regierung und die großen Unternehmen ihm vorsetzten, war angewiesen auf ein breit gefächertes Netz von Informanten. Raúl Barrios arbeitete bei der staatlichen Telefongesellschaft und hatte ihr immer gerne ausgeholfen, wenn sie eine Geheimnummer herausfinden musste oder wissen wollte, wer sich hinter einem bestimmten Anschluss verbarg. Doch plötzlich machten all ihre Informanten dicht. Und Paula wusste nur zu gut, wer dahinter steckte.
    »Ich weiß nicht«, sagte Raúl unbehaglich. »Aber seit diese Sache da in Amazonien passiert ist, drehen hier alle durch. Wir hatten sogar schon mehrfach Besuch von seltsamen, schwarz gekleideten Männern. Geheimdienst, wenn du mich fragst; einige davon Yankees. Ganz sicher CIA.«
    Mit dieser Vermutung lag Raúl ganz richtig, doch das konnte die Reporterin ihm nicht auf die Nase binden.
    »Und was wollten sie?«
    »Keine Ahnung, das sagen die uns doch nicht. Aber sie schnüffeln seit Wochen überall rum und installieren in unserem System irgendwelche streng geheimen Programme. Man hat fast den Eindruck, die überwachen das komplette Telefonnetz.«
    »Wollten sie auch was von dir?«
    »Nein, für die bin ich viel zu unbedeutend, aber die haben hier jeden auf dem Kieker. Wenn die rauskriegen, dass ich eine Geheimnummer an Unbefugte herausgebe, schicken die mich gleich nach Guantânamo.«
    Paula seufzte unhörbar. So kam sie nicht weiter.
    »Bitte, Raúl«, sagte sie und ihre Stimme klang plötzlich sehr viel weicher, verletzlicher. »Ich brauche diese Nummer wirklich. Wenn du mir hilfst, werde ich mich dafür ganz bestimmt erkenntlich zeigen.«
    »Erkenntlich, was heißt denn das?«, fragte Raúl plötzlich interessiert. Paula war eine attraktive Frau, und ihr waren nicht die wohlwollenden Blicke entgangen, mit denen er sie bei ihren letzten Treffen betrachtet hatte.
    »Nun, das wirst du schon sehen…!«
    »Abendessen?«
    »Auf jeden Fall.«
    »Mit Zunge?«
    »Hey, hey, übertreib’s nicht«, sagte Paula scharf. »So war das mit der Telefon-Nummer nicht gemeint!«
    »Na gut«, maulte Raúl. »Dann aber wenigstens ein richtiges Restaurant. Mit Deckchen auf dem Tisch, Kerzen und einem Wein, der sich nicht durch die Gläser frisst. Keiner dieser üblen Heavy-Metal-Schuppen, in die du mich sonst immer schleppst.«
    »Alles, was du willst.«
    »Okay«, sagte Raúl. »Was brauchst du?«
    Paula notierte die Telefonnummer, die Raúl ihr heraussuchte, und legte auf. Im Grunde hatten sie dieses Spiel in den verschiedensten Variationen immer wieder durchgespielt, es gehörte schon zum Ritual. Doch diesmal war Raúls Zögern echt gewesen. Die schwarz gekleideten Männer hatten ihm wirklich Angst gemacht, und Paula konnte es ihm nicht verdenken. Schließlich hatte sie selbst die Begegnung mit Devaine und dessen Männern nur knapp überlebt.
    Und anstatt froh zu sein, dass du dein Leben zurückhast, bohrst du immer weiter. Paula, Schatz, du bist echt wahnsinnig.
    Aber hatte sie eine andere Chance? Zamorra, Nicole und der Silbermond-Druide Gryf hatten die Reporterin gebeten, sie über alle wichtigen Ereignisse im Land auf dem Laufenden zu halten, ihr aber zugleich dringend geraten, nicht von sich aus aktiv zu werden. »Sorry, Kleines, das ist nicht deine Liga«, hatte Gryf gesagt.
    Und doch ließ sie die Sache nicht los. Natürlich konnte sie es nicht mit Mächten aufnehmen, die selbst einer Atombombe trotzten. Doch sie konnte das tun, was sie am besten konnte: Recherchieren. Und da gab es durchaus noch ein paar offene Fragen zu klären. Zum Beispiel, warum sich das Böse ausgerechnet in diesem völlig abgelegenen Teil der Welt manifestiert hatte. War das wirklich Zufall? Lag es daran, dass das Areal so dünn besiedelt war, dass die unheimlichen Veränderungen zunächst kaum jemandem auffielen?
    Oder gab es noch einen anderen Grund? Das Zamorra-Team hatte die Frage nicht beantworten können. Und so hatte Paula nach ihrer Abreise heimlich ihr eigenes kleines Rechercheprojekt gestartet.
    Begonnen hatte alles mit einer vagen Kindheitserinnerung. Wie die meisten Kolumbianer hatte Paula Vásquez sowohl spanische als auch indianische Vorfahren. Ihre
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