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0973 - Das verfluchte Volk

0973 - Das verfluchte Volk

Titel: 0973 - Das verfluchte Volk
Autoren: Andreas Balzer
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einen Zug von seinem Zigarillo und sog den Rauch tief ein, während er versuchte, Ordnung in das Chaos in seinem Kopf zu bekommen. Der Zuckerbaron war nie ein besonders gläubiger Mann gewesen, für die frömmelnden Landarbeiter und den selbstgefälligen Klerus hatte er immer nur tiefste Verachtung übrig gehabt. Doch jetzt stand er kurz davor, sich mit dem absoluten-Bösen einzulassen. War er wirklich bereit, diese letzte Grenze zu überschreiten?
    »Mein Herr ist bereit, dir noch einen kleinen Bonus zu zahlen. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, könnte er dir erlauben, diesen lästigen Parapsychologen Professor Zamorra und dessen Gespielin Nicole Duval zu eliminieren.«
    Duval!
    »Ich bin dabei!«
    Velasco lächelte. Seine weißen Augen schienen zu glitzern. »Mein Herr hat nichts anderes erwartet. Dann höre mir genau zu. Er hat bereits einen Auftrag für dich…«
    ***
    Tagebuch von Friedrich Dörfler,
    5. September 1801
    Seit meinem Gespräch mit Humboldt bin ich wie im Fieberwahn. Vielleicht ist dies die letzte Gelegenheit, aus meinem Leben doch noch etwas Bedeutendes zu machen.
    Wenn ich Hirngespinsten hinterher jage und im Dschungel verrecke, soll es mir recht sein. Alles ist besser, als diese erbarmungswürdige Existenz weiterzuführen. Aber was, wenn all die Geschichten wahr sind? Ein Volk, das über solche Macht verfügt, muss auch unfassbar reich sein, daran gibt es keinen Zweifel.
    Doch warum sollte ich mich mit ein paar glitzernden Klunkern zufriedengeben? Wenn es mir gelänge, ein paar dieser Wilden zu fangen, könnte ich sie mit in die Zivilisation nehmen. Sie wären eine Sensation an den Höfen Europas, wenn sie vor den gekrönten Häuptern ihre heidnischen Zauberkunststückchen vorführten. Eine größere Sensation als selbst Pocahontas.
    Doch das sind alles nur Träume, so lange es mir nicht gelingt, die Expedition zu finanzieren. Wertlose Fantastereien eines überreizten Geistes. Ich muss Geld auf treiben!
    Den ganzen Tag bin ich durch die Stadt geirrt und habe versucht, ein paar Münzen lockerzumachen. Ich habe jeden noch irgendwie ausstehenden Gefallen eingefordert, wüste Drohungen ausgestoßen, gebettelt und gefleht. Ich habe an das gütige Herz der Mitleidigen appelliert und den Gierigen das Blaue vom Himmel versprochen, wenn sie sich als Finanziers an meiner Expedition beteiligen.
    Vergeblich!
    Bleibt noch meine holde Francesca. Sie spricht nicht darüber, aber der schäbige Frack ist keineswegs das Einzige, was ihr von ihrem Gatten geblieben ist. Aus sicherer Quelle weiß ich, dass er ihr ein hübsches Sümmchen in Form von Goldmünzen hinterlassen hat. Tatsächlich hatte diese Information nicht unerheblichen Anteil daran, dass ich vor einigen Wochen ihre nähere Bekanntschaft gesucht habe. Jetzt wird es Zeit, dieses Wissen praktisch einzusetzen.
    ***
    Bogotá
    »Paula? Hallo? Erde an Paula Vásquez, können Sie uns hören?«
    Paula fuhr hoch, warf dabei die halb volle Kaffeetasse um und starrte ihren Chefredakteur verwirrt an. Die lauwarme Brühe ergoss sich über die Aufzeichnungen, die sie in den letzten Stunden zusammengetragen hatte. Paula kümmerte es nicht, das Meiste war ohnehin wertloses Gekritzel.
    »Was gibt es, Luis?«, fragte die junge Reporterin. »Ich bin mitten in einer Recherche.«
    »Das sehe ich«, sagte Luis Ortega missmutig und deutete auf das oberste Blatt ihres durchweichten Notizblocks. Es war übersät mit Monsterfratzen und morbiden Strichmännchen-Szenarios. Riesige Insekten, die kleine Strichmännchen in Stücke rissen, Strichmännchen-Soldaten, die andere Strichmännchen an die Wand stellten.
    Es tut mir wirklich leid, Miss Vásquez. -Exekutiert sie. Und vernichtet alles, was sie an Beweisen bei sich haben.
    »Arbeitest du neuerdings für die Comicseite? Dann muss ich dir leider sagen, dass dein Talent nicht ausreicht.«
    »Sehr witzig«, murmelte Paula, doch ihr Chef ließ sich nicht beirren.
    »Was du dagegen sehr gut kannst, ist Enthüllungsgeschichten zu schreiben, die so wasserdicht recherchiert sind, dass den Mächtigen dieses wunderschönen Landes das Wasser in der Arschritze kocht. Oder soll ich sagen: konntest? Seit dieser leidigen Urwaldsache ist mit dir einfach nichts mehr anzufangen. Oder hast du vergessen, dass du mir schon vor zwei Tagen was über den Bankenskandal und die Verbindung zu diesem Callgirl-Ring liefern solltest?«
    »Es ist schwierig, die Zeugen wollen nicht reden.«
    »Das wollen sie nie. Aber die Paula, die ich einmal kannte, hat das
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