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0963 - Wächter der Blauen Stadt

0963 - Wächter der Blauen Stadt

Titel: 0963 - Wächter der Blauen Stadt
Autoren: Manfred H. Rückert
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keuchte der Imuhagh und konnte den Blick nicht von den Augen des Dämonenmädchens lösen. »Sie hat den bösen Blick des Schëitans!«
    »Moumouni was ist los bei dir?« Ghoumour sah zu seinem Begleiter, gleichzeitig musste er die beiden Kamele festhalten, die nun weiter zurückwichen und sich kaum bändigen ließen.
    »Bei der versunkenen Oase Gewas«, rief Moumouni. Seine Stimme klang irgendwie fremd. »Wenn du jemals wieder dein Weib Abou sehen willst, dann müssen wir die Fremde töten.«
    Er griff nach seinem Dolch, der in einem kunstvoll verzierten Lederbeutel steckte. Woher sollte er auch wissen, dass diese Waffe absolut nichts gegen Dämonen ausrichten konnte?
    Ghoumour konnte ihm nicht helfen, die Kamele drängten mit Gewalt zurück. Der Imuhagh hatte so etwas noch nie erlebt, selbst nicht bei schlimmsten Sandstürmen oder dem Angriff wilder Tiere. Ihm blieb nichts anderes übrig, als dem Willen der Kamele nachzugeben und einige Meter zurückzugehen.
    Kassandra drehte sich langsam herum, bis sie kniete und sich mit den Händen abstützen konnte. Sie bemerkte, dass Moumouni mit gezogenem Dolch vor ihr stand, bereit, jederzeit auf sie einzustechen, um sein Leben zu schützen. Langsam klärte sich ihr Blick, Schmerzen und Verwirrung hatten nachgelassen, dennoch fühlte sie sich unendlich schwach. Mit Verwunderung bemerkte sie die zwei getöteten Tiere vor sich. Nicht, dass ihr der Tod der Schlange und der Ratte etwas ausgemacht hätte, aber die fehlenden Köpfe stellten sie vor ein Rätsel.
    Kassandra beschloss, dass dieses Rätsel unwichtig war. Wichtiger war, dass sie überlebte. Sie stellte sich auf und behielt beide Wüstensöhne im Blick.
    »Sie ist wirklich fast nackt!«, stieß Moumouni aus. Man konnte wirklich nicht behaupten, dass das winzige Etwas, das Kassandra als Höschen trug, ihre Lenden verhüllte. »Diese Hure ist eine Schande unter der Sonne.«
    »Wo bleibst du denn, Moumouni?« Ghoumour wurde genauso nervös wie die beiden Kamele, die er fast nicht mehr zu bändigen wusste. »Komm her, so schnell es geht und lass sie in der Sonne verschmoren.«
    Moumouni steckte den Dolch mit einem Mal wieder in den Lederbeutel zurück. Er wirkte apathisch und wusste nicht mehr, dass er gerade eben noch das Dämonenkind hatte töten wollen. Er wusste auch nicht mehr, dass seine Frau Al Housseina auf ihn wartete. Sie hatte Tagella , das Brot der Imuhagh, gebacken, das sie bei seiner Rückkehr mit Tee servieren wollte.
    Moumouni dachte eigenartigerweise daran, dass der Fremden nicht die drei heiligen Aufgüsse gewährt würden; alles andere war wie fortgewischt. In der gesamten Sahelzone war das Teetrinken ein wichtiger Bestandteil der Alltagskultur. Ein Gast, der drei Gläser ausgetrunken hatte, stand unter dem besonderen Schutz der Imuhagh.
    Ein Sprichwort der Imuhagh besagte, dass wan-iven - der erste Aufguss - bitter wie das Leben ist. Der scharfe Geschmack des grünen chinesischen Tees, den die Tuareg bevorzugen, wurde nicht durch zu viel Wasser verdünnt. Wan-ashin - der zweite Aufguss - war süß wie die Liebe; viel Zucker wurde hinzugefügt, und der Tee verlor seine Bitternis.
    Wan-karad - der dritte Aufguss - war leicht, gerade so wie der Atem des Todes.
    Weshalb er in diesen Sekunden diesen Gedanken, die mit seiner derzeitigen Situation nichts zu tun hatten, nachhing, wusste Moumouni nicht. Hätte sein Verstand normal gearbeitet, würde er sofort gewusst haben, dass die kleine Dämonengöre damit zu tun hatte. Denn Kassandra hatte seinen Gedanken eine Art Endlosschleife eingegeben.
    »Moumouni, komm her!« Ghoumours Stimme überschlug sich fast vor Angst. Er konnte nicht verstehen, dass sein Freund wie in der Bewegung eingefroren dastand und auf die fast nackte Ungläubige starrte. Er griff nach dem in Leder eingebundenen Amulett mit dem magischen Zeichen, das er immer dann zur Abwehr böser Geister dabeihatte, wenn er von zu Hause fort war.
    Gleich darauf konnte auch er sich nicht mehr bewegen. Seine Gedanken flossen träge dahin, als wollten sie bald versiegen. Und auch bei ihm drehte sich alles nur um die Teezeremonie.
    Kassandra fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Auf eine Handbewegung von ihr standen auf einmal auch die beiden Kamele still da. Sie fühlte sich unendlich müde und wollte am liebsten wieder einschlafen. Der Biss der Sandrasselotter war schon längst nicht mehr zu sehen. Die Selbstheilungskräfte, die bei Schwarzblütigen besonders ausgeprägt waren, hatten die kleinen Wunden
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