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0934 - Der Schlüssel zur Quelle

0934 - Der Schlüssel zur Quelle

Titel: 0934 - Der Schlüssel zur Quelle
Autoren: Simon Borner
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- und es wusste, wie es mit ihnen umgehen wollte. Weil es am längeren Hebel saß.
    »Für bessere Menschen«, antwortete Mike. »So ist Texas. Ich komme von hier, wie du weißt. Und mancherorts ist die Mentalität der Texaner ein wenig… eigen.«
    » Don't mess with Texas «, zitierte Jenny den Slogan, der dem amerikanischen Bundesstaat allen Ernstes als offizieller Werbespruch diente. Leg dich nicht mit Texas an. Sie hatte gewusst, dass es hart werden würde, aber das hier war einfach lächerlich.
    »Ganz genau.« Mike lächelte. »In Huntsville scheint man Leute, die Fragen stellen, nicht zu mögen.«
    Sie seufzte. »Und was machen wir jetzt? Wie sollen wir eine Reportage über das Sterben in Texas drehen, wenn wir nicht einmal vom Parkplatz des Gefängnisses kommen - geschweige denn in den Todestrakt? Mike, ich habe einen Abgabetermin beim Sender. Wenn ich den verstreichen lasse, ohne zu liefern, bin ich geliefert! Wir können doch kein komplett neues Thema aus dem Ärmel schütteln.«
    Nun wurde Mikes Lächeln breiter, und in seinen Augen lag wieder das Funkeln, in das sie sich als Erstes verliebt hatte. »Na, ganz einfach: Wir machen, was wir immer machen. Indem wir das zeigen, was uns hier begegnet. Das ist unser neues Thema.«
    »Du meinst…«
    Mike hob die Kamera, die er die ganze Zeit in der Rechten gehalten hatte, hoch und strich mit den Fingern liebevoll darüber. »Ist alles auf Band. Die Alte, ihre Predigt und die übrigens juristisch angreifbare Tatsache, dass sie dir deine Papiere vorenthalten hat. Ein guter Start in einen neuen Beitrag, wenn du mich fragst. Einer, der aufwühlt. Machen wir eben keine Dokumentation über das Sterben in Huntsville, Miss Moffat, sondern über Huntsville selbst. Über Kleingeist-City.«
    Jenny lachte vor Überraschung und Erleichterung. Dann schlang die blonde TV-Reporterin die Arme um ihren Kameramann und küsste ihn auf den Mund. »Ich muss schon sagen, Mister Zucchio, Sie haben's drauf.«
    ***
    Die Albträume waren lange vorüber. Träume, in denen sie die Dämonin mit den geschwungenen Hörnern und den ledernen Flügeln wiedergesehen hatte - eine Silhouette des Grauens vor dem kalten, klaren kanadischen Nachthimmel. Stygia hatte sie geheißen, und sie war aus einer Welt gekommen, deren Existenz Jennifer Anne Moffat zeitlebens geleugnet hatte.
    Der Hölle.
    Damals, vor Monaten im kanadischen Dellinger's Point, hatte die Hölle ihre Tore geöffnet und Jenny einen Blick hinter die Fassade der Wirklichkeit gegönnt. Hinter die Kulissen der Wahrheit.
    Wahrheit? Conellys schrille Stimme hallte in ihren Gedanken nach. Leute wie Sie können mit der Wahrheit doch gar nicht umgehen!
    Oh, doch, fand Jenny und schluckte. Das konnte sie. Sie hatte es lernen müssen, als die Trucker, über die zu berichten sie auf die Ice Road gekommen war, nach und nach den Vorboten der Hölle zum Opfer gefallen waren. Sie hatte es gelernt, während zu willenlosen Zombies mutierte Ureinwohner ihren Konvoi angegriffen, keine Gefangenen gemacht und keine Gnade gekannt hatten.
    Und sie hatte es von Frank Manusco gelernt, ihrem damaligen Kameramann. Frank The Crank, der Wirtskörper eines Dämons geworden war und die hilflose Jenny zur Zielscheibe seiner ungezügelten teuflischen Leidenschaften gemacht hatte. Seines Hungers. [1]
    Die Tage und Nächte auf der Ice Road hatten Jenny Moffats Leben verändert. Sie hatten sie den Job gekostet, die Unschuld, das Weltbild. Und sie hatten die junge Frau von der unbedeutenden Reporterin eines lokalen und unbeachteten Frühstücksprogramms zu einer der besten TV-Journalistinnen des ganzen Landes werden lassen. Einer, die nachhakte und kein Nein als Antwort hinnahm, ohne es dreifach zu hinterfragen. Einer Kämpferin - dank harter Schule. Sehr harter.
    Think America , ihre wöchentliche Reportageserie, führte sie seit Wochen an Plätze, zu Personen und Institutionen, die zum Denken anregen sollten. Es gab kein heißes Eisen in den USA, das Jenny Moffat zu heiß war. Diese Zeiten waren endgültig vorüber. Sie war vor der japanischen Küste mit Umweltaktivisten gegen Walfänger vorgegangen, hatte den Kopenhagener Weltklimagipfel als Lachnummer enttarnt und pünktlich zum Jahresende mehr als nur ein kritisches Auge auf das erste Amtsjahr des neuen US-Präsidenten geworfen.
    Ihre Einschaltquote war hoch und noch längst nicht am Ende der aufsteigenden Spirale angekommen. Ihr Leumund wuchs stetig - und ganz allmählich begannen sich auch die großen Sendeanstalten
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