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0933 - Der erste Erbfolger

0933 - Der erste Erbfolger

Titel: 0933 - Der erste Erbfolger
Autoren: Oliver Fröhlich
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Kopf, als er erste Einzelheiten erkennen konnte. Ich habe mich geirrt! Es ist doch ein Schlafraum.
    Mitten im Zimmer stand eine Kinderwiege. Darüber schwammen kleine geschnitzte Fische im Kreis, nur gehalten von hauchdünnen Fäden. In einer Ecke entdeckte er einen Tisch voller Decken und Stoff windeln, über der eine Reihe von Buchstaben an der Wand einen Namen bildeten: Stracen.
    »Das ist ein Kinderzimmer!«, hauchte Jurg das Offensichtliche.
    Erneut blühten in Invo Zweifel auf. Der Weltenmörder besaß nicht nur einen Garten mit Tierbüschen und bunten Blumen, er hatte auch einen Sohn! Einen unschuldigen Säugling, dem er den Vater wegnehmen wollte!
    Oh, ihr Götter! Warum verlangt ihr das von mir?
    Stracen, der Junge in der Wiege, war vier oder fünf Monate alt - und er sah Invo und Jurg aus neugierigen Augen an. Sie hatten ihn geweckt!
    Da begann das Kind, laut und herzzerreißend zu weinen. Nur einen Lidschlag später erklangen Schritte auf dem Flur.
    Für einen Augenblick erwog Invo, erneut durch ein Portal nach draußen zu fliehen, doch er bezweifelte, dass er in dieser Situation die dafür nötige Konzentration aufbringen konnte.
    »Rasch!« Er packte Jurg am Ärmel und zog ihn zu einem großen Schrank. Nebeneinander drückten sie sich an die Wand.
    Invo ließ den Schein des Gedankenkristalls erlöschen und Dunkelheit umschlang das Kinderzimmer. Doch nicht für lange. Von dort, wo sie standen, konnten sie die Tür nicht sehen, doch sie hörten, wie sie sich öffnete. Das Licht von draußen warf ein helles, verzerrtes Rechteck auf den Boden, in dessen Zentrum sich ein Schatten mit menschlichen Umrissen befand.
    »Was ist los, du Hosenscheißer?« Die Stimme von Stracens Vater - denn um wen sonst sollte es sich handeln? - klang rau. Der leichte Zungenschlag verriet, dass Aryen dem Wein oder noch stärkeren Getränken reichlich zugesprochen hatte.
    Aryen machte einen Schritt in das Zimmer. Nun konnte Invo ihn als dunkle Silhouette erkennen.
    Wenn er jetzt das Licht anmacht, ist es aus mit uns!
    Er überlegte, ob er nach dem Dolch greifen sollte, doch aus Angst, sich zu verraten, wagte er keine Bewegung. Auch Jurg verhielt sich still. Nicht einmal sein Atmen war zu hören.
    »Ich weiß, du vermisst deine Mama.« Aryen klang nicht so, wie sich Invo einen liebenden und treu sorgenden Vater vorgestellt hätte. In diesem Moment wusste er, dass er sich nicht getäuscht hatte. Dieser Mann plante Böses! »Aber sie ist nun mal tot! Also hör gefälligst auf zu flennen und sei froh, dass du noch lebst. Verdient hast du es nicht!«
    Invo konnte kaum glauben, was er da vernahm. Vielleicht sollte er doch den Dolch ziehen und sich auf den Kerl stürzen. Aber er musste sichergehen! Auch wenn der Priester von seiner Theorie überzeugt war, noch war Aryen nur ein miserabler Vater. Für alles andere brauchte Invo erst Beweise.
    Tatsächlich hörte das Kind auf zu weinen. Als hätte es gespürt, dass es seinen Vater sonst noch mehr gegen sich aufbrachte.
    Ansatzlos drehte sich Aryen um, stapfte hinaus - und ließ die Kinderzimmertür hinter sich offen!
    Der Priester und sein Sohn warteten noch einige Sekunden ab. Gerade, als sie sich in Bewegung setzen wollten, hörten sie zwei Stimmen. Sie drangen aus einem anderen Zimmer durch den Flur zu ihnen. Eine war die von Aryen Chluhe'chlyn. Die andere erkannten sie nicht. Doch wenn die von Aryen dem Priester schon kalt und gefühllos vorgekommen war, so gefror ihm bei der anderen beinahe das Blut.
    »Komm!«, flüsterte er Jurg zu. »Wir müssen wissen, was da vor sich geht.«
    »… mich nicht mehr damit abfinden, ein unbedeutendes Ratsmitglied zu sein«, sagte Aryen gerade. »Wie oft habe ich versucht, meinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden? Und doch habe ich in meiner Position keinerlei Einfluss auf die Geschicke Hysops. Egal, was ich tue, der Zaer hält mich klein.«
    Invo kannte sich in den Strukturen des Rats nicht allzu gut aus, weil das für ihn als Priester keine große Rolle spielte, aber er wusste, dass der Zaer nicht nur der Oberste Ratsherr war, sondern zugleich der Hüter der Stadt.
    »Ich will endlich selbst Zaer werden! Will den Maden dieser Stadt zeigen, wen sie jahrelang herumgeschubst haben!« In Aryens Worten konnte Invo den ganzen Hass des Mannes hören.
    »Diesen Wunsch kann ich dir erfüllen!«, grollte die andere Stimme. »Aber du kennst auch den Preis!«
    Der Priester und Jurg schlichen auf Zehenspitzen zur Kinderzimmertür und lugten hinaus. Vor ihnen
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