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092 - Piraten im Nordmeer

092 - Piraten im Nordmeer

Titel: 092 - Piraten im Nordmeer
Autoren: Ronald M. Hahn
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rückwärts auf den Korridor hinauszutreten. Sie folgte ihm mit neuem Elan. Doch beim Anblick der fünf Männer, die nun durch den Gang auf die Kämpfenden zueilten, sank ihr Mut erheblich.
    »Grimür!«, rief ein stutzerhaft gekleideter Mann mit einem Federbusch am Hut. »Ich traue meinen Augen nicht! Du lässt dich von einer Fuuntz verdreschen?!«
    Das Wort – das schlimmste, mit dem man eine Frau belegen konnte – versetzte Laryssa in Wut. Sie führte den Säbel mit solcher Wucht, dass das Schwert ihres Gegners in der Mitte zerbrach.
    »Wahl« Grimür wich erbleichend zurück, und die Männer, die mit dem Stutzer ins Haus gekommen waren, taten es ihm gleich. Sie überwanden ihren Schreck jedoch schnell und zückten fluchend ihre eigenen Klingen.
    Laryssa blieb mit gespreizten Beinen in der Tür stehen. Ihre Blicke erdolchten die Kerle, die dem Stutzer fragende Blicke zuwarfen – als ob sie darauf warteten, dass er den Befehl zum Angriff gab.
    Doch der Befehl kam auch dann nicht, als die Spitze ihrer scharfen Klinge sich auf Grimürs Kehle drückte und der erste Blutstropfen langsam an seinem Hals entlang nach unten lief.
    »Ich bin beeindruckt«, sagte der Stutzer. Seine grauen Augen bestätigten seine Worte. »Ich nehme den gegen dich ausgestoßenen Schimpf mit dem größten Bedauern zurück, Froken.« Er lupfte seinen Federhut, und brünette Locken fielen auf seine Schultern. Dann verbeugte er sich. »Ich bin Kapitän Orland von der Sturmbraut .« Sein Blick fiel in die Kammer, in deren Tür Laryssa noch immer stand, ohne die Klinge vom Hals des schlotternden Grimür zu nehmen. »Wer ist der Leichnam da?«
    »Ingmor, Euer Bootsmann«, erwiderte Laryssa, ohne Grimür aus den Augen zu lassen. »Er und dieser schwanzlose Koyter hier wollten mich als Sklavin verhökern – und vorher noch missbrauchen.« Sie spuckte aus.
    Kapitän Orland maß seinen Offizier missbilligend. »Also wirklich, Grimür, ich hätte dir mehr Intelligenz zugetraut.«
    Sein Blick kehrte zu Laryssa zurück. »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du ihn verschonen könntest«, fuhr er fort.
    »Auch wenn er nach dieser Zurschaustellung von Unvermögen nur ein peinliches Bild abgibt – er ist mein Erster Offizier und meine rechte Hand.«
    Laryssa musterte kurz die Männer, in deren Begleitung Kapitän Orland in den Gasthof gekommen war. Es waren rohe, von Narben verunzierte Kerle, denen sie allein nicht gern im Dunkeln begegnet wäre. Weil sie nicht absehen konnte, was sie tun würden, wenn sie den Ersten Offizier vom Leben zum Tode brachte, ließ sie den Säbel sinken.
    Grimür atmete auf und griff sich an den Hals. »Gütiger Wudan! Ich blute!«
    »Sei froh, dass dein Kopf noch auf deinem Hals sitzt«, erwiderte Kapitän Orland spöttisch und nickte seinen Leuten zu. Die narbigen Gestalten schoben ihre Klingen wieder in die Scheiden zurück, nahmen Grimür zwischen sich und führten ihn die Treppe hinab.
    Als Laryssa mit Orland allein war, atmete auch sie auf. Nur gut, dass sich der Kapitän nicht in das Geschehen eingemischt hatte. Sie hätte sich nur ungern mit einer Übermacht angelegt.
    Orland war ein hübscher Mann. Ein sauber gestutzter Schnauzbart zierte seine Oberlippe. Sein Kinn wies ein Grübchen auf und war glatt rasiert. Zudem benutzte er Duftwasser. Überhaupt schien für Kapitän Orland Wasser nicht nur ein Medium zu sein, auf dem sich sein Katamaran bewegte.
    Als Laryssa ihn genauer in Augenschein nahm, stutzte sie. Er kam ihr irgendwie bekannt vor. Waren sie einander schon einmal begegnet? Vielleicht in den Städten der Norweja oder in den Wäldern des Nordens? Auf einer Meera-Insel? Vielleicht gar auf Spizborgh?
    Laryssa wollte ihn gerade danach fragen, als Orland das Wort an sie richtete. »Du hast Ingmor besiegt und Grimür eine Lehre erteilt, die längst fällig war«, sagte er. Seine angenehm dunkle Stimme nahm Laryssa für ihn ein. »Doch jetzt fehlt mir durch deine Schuld ein Bootsmann.« Orlands Blick richtete sich auf Laryssas Busen, und er kratzte sich am linken Ohrläppchen.
    »Tut mir Leid, Kapitän.« Laryssa zuckte leicht verlegen die Schultern. »Aber ich hatte nur die Wahl: er oder ich.«
    Orland räusperte sich. »Um den Menschen Ingmor ist es nicht sonderlich schade. Ich glaube nicht, dass es auf den Inseln jemanden gibt, der ihn vermisst. Aber…«, sein Blick wanderte aufwärts und heftete sich auf Laryssas Gesicht, »… ich habe dich kämpfen sehen und wette, dass du ihn zehnfach ersetzen
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