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0907 - Die blutenden Bäume

0907 - Die blutenden Bäume

Titel: 0907 - Die blutenden Bäume
Autoren: Jason Dark
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zum Tanzen brachte und anschließend ihre Schwingen ausbreitete, wobei sie noch nicht startete.
    Sie wartete und senkte den Kopf.
    Auf den Schädel des Menschen starrten die kalten Augen der Eule hinab. Der Schnabel zuckte, und für einen winzigen Moment veränderte sie einen Teil ihrer Gestalt.
    Der gesamte Körper, abgesehen von seinem Kopf, wurde durchsichtig oder zu einem Spiegel, denn in ihm zeigte sich die Projektion eines Männergesichts.
    Es gehörte Raskin.
    Und ein zweites Gesicht war ebenfalls zu sehen. Über dem ersten, in den oberen Flügelspitzen.
    Horst Grote!
    Raskin und Grote, ihre Opfer, wobei einer der Männer bereits gestorben war. Nur die Erinnerung an diese beiden hatte die Eule für sich behalten.
    Totenbilder…
    Der Körper wuchs wieder zusammen. Der Blick in die Seele der Strige verschwand.
    Sie blieb auch nicht länger auf ihrem Platz hocken, sondern kippte plötzlich nach unten.
    Raskin hatte seine Haltung nicht verändert. Noch immer leckte und schlürfte er das Blut, bis er plötzlich den Schlag im Nacken spürte. Sein Kopf prallte mit dem Gesicht zuerst frontal gegen den Stamm. Er dachte, daß ein Stein gegen ihn geprallt war, dann hörte er das Flattern dicht an seinen Ohren und wußte Bescheid.
    Die Vögel hatten ihn!
    ***
    Und es war nicht nur die Strige, die sich von ihrem Platz gelöst hatte, auch zahlreiche andere Vögel wollten nicht mehr auf den Bäumen bleiben. Sie stürzten sich auf den Mann, der seine Lage durch den Druck der Eule längst verändert hatte, nicht mehr kniete, sondern jetzt auf dem Rücken lag und dabei wehrlos wirkte wie ein großer Käfer.
    Noch wurde er nicht angegriffen, denn die Eule flatterte über ihm. Sie wurde umkreist von ihren Helfern.
    Raskin hielt die Augen weit offen. Trotzdem konnte er nicht viel sehen, denn der übergroße struppige Körper der Eule nahm sein gesamtes Blickfeld ein. Er sah dieses struppige Grau, er sah die kalten, hellen und gelben Augen, und er sah den spitzen, leicht gekrümmten Schnabel, der hart war wie ein Messer.
    Messer töten.
    Schnäbel auch?
    Die Eule sackte nach unten. Der Schrei erstickte in Raskins Kehle, als er den Druck des großen Tieres auf seinem Körper spürte und auch merkte, wie sich die scharfen Krallen durch die Kleidung bohrten und dabei auch seinen Bauch nicht verschonten. Aus mehreren Wunden fing er an zu bluten. Der Eulenkopf zuckte nach vorn Der erste Schnabelhieb erwischte Raskin genau unter dem linken Auge und riß dort eine tiefe, blutende Furche…
    ***
    Der Wald schwieg, und er kam uns deshalb vor wie ein gewaltiges, wenn auch lichtes Gefängnis, in dem die Gefangenen zu einer stillen Einzelhaft verurteilt waren.
    Wir hatten vergessen, Isidor Drackmann nach einer genauen Entfernung zu fragen, und so waren wir gezwungen, uns zu beeilen. Wir achteten auch nicht auf irgendwelche Geräusche. Man würde uns hören, das war egal, man sollte uns auch hören.
    Harrys Gesicht sah aus wie aus Holz geschnitzt. Ein paarmal hatte er seine Pistole gezogen, sie aber immer wieder weggesteckt. Mich interessierte auch der Himmel, doch Vögel entdeckte ich dort keine mehr.
    Es schien so, als hätten sie sich zurückgezogen, um uns das Feld zu überlassen.
    Das aber wollte ich nicht so recht glauben, denn es paßte einfach nicht zu ihnen.
    Irgend etwas war passiert, davon ging ich aus. Es hatte eine Veränderung gegeben, der Wald sah zwar normal aus, aber er war es nicht. Fichten- und Tannenzweige wippten, wenn wir an ihnen entlangstreiften, stolperten wir manchmal über Buckel und hielten immer wieder Ausschau nach den hellen Stämmen der Birken.
    Weiter folgten wir einem schmalen Pfad, der sich plötzlich lichtete, so daß wir einen freien Blick bekamen.
    Und da hörten wir auch schon die entsetzlichen Schreie!
    ***
    Der Schmerz war schlimm. Er überzog das ganze Gesicht, und Raskin kam sich vor, als hätte ihm jemand ein Brandeisen auf die Haut gedrückt. Dabei war es »nur« der Schnabelhieb gewesen. Einer Wunde auf der linken Seite folgte eine auf der rechten Seite. Die Eule kannte kein Pardon.
    Und auch die anderen Vögel gaben ihre starre Haltung auf. Sie umflatterten das Opfer, sie hackten ebenfalls mit ihren spitzen Schnäbeln zu und gaben dem Mann keine Chance.
    Sie wollten ihn töten. Er war nicht würdig, das Blut der Birken zu trinken.
    Ein Unwürdiger hatte den Wald verlassen können, aber auch ihn hatte es erwischt. Sein Körper nahm dieses Blut ebenfalls nicht an, weil der Mensch nicht gut war.
    Und
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