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0907 - Die blutenden Bäume

0907 - Die blutenden Bäume

Titel: 0907 - Die blutenden Bäume
Autoren: Jason Dark
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innen her allmählich zu vermodern.
    Was würde geschehen, wenn er sich erhob? Würden es die anderen Vögel und auch die Eule zulassen, oder würden sie sich von ihren Plätzen erheben und ihn angreifen?
    Er wußte es nicht, und er konnte darauf auch keine Antwort geben. Er war zudem nicht in der Lage, sie zu fragen. Die Welt war für Fritz Raskin auf ein Minimum reduziert. Es gab nur diesen Ausschnitt, der gleichzeitig eine Klammer war, aus der er sich kaum würde befreien können.
    Dabei hatte er nichts Böses gewollt. Nur das Blut der Birken hatte er trinken wollen. Er war süchtig danach, auf ihn wirkte es wie eine Droge.
    Die große Eule bewegte sich auf dem Ast. Auf der Unterseite des Astes entstanden dunkle Kugeln oder Perlen, was Raskin den Atem stocken ließ. Die Kugeln drangen aus der Rinde und blieben dort wie aufgereiht hängen.
    Nachdem sie dort eine Weile gehangen hatten, fielen sie wie ein roter Regen dem Boden entgegen und versickerten.
    Der Baum blutete. Die Birke war dabei, ihren Saft auszuspeien, und ein Geruch, den der Mann gut kannte, drang in seine Nase. Es war der Blutgeruch.
    Raskin gelang es, die Angst und damit auch seine Starre zu überwinden.
    Er konnte sich wieder aus eigener Kraft bewegen. Rechts und links stemmte er die Hände gegen den weichen Boden. Es war der erste Versuch, sich aufzurichten. Er zog die Beine an. Mit den Absätzen fand er den entsprechenden Halt und stellte sich mit einem Ruck hin.
    Daß er dabei etwas schwankte, machte ihm nichts. Er hatte es rasch wieder ausgeglichen. Die anderen Vögel interessierten ihn nicht. Seine Blicke galten einzig und allein der Eule und dem blutenden Zweig, auf dem sie hockte.
    Aber nicht nur der Zweig blutete. Plötzlich quoll das Blut auch aus dem Stamm hervor. Es malte zunächst dicke Tropfen auf den helleren Flächen, die dann zu Flecken verliefen, größer wurden und zu Boden rannen.
    Raskin keuchte. Er war erregt, der Geruch des Blutes hatte seinen eigenen Willen zurückgedrängt. Seine Augen glichen schon der dieser lauernden Eule, und er fühlte sich von dem Blut angezogen wie Eisenspäne von einem Magneten.
    Er taumelte auf den Baum zu. Es gab kein Halten mehr für ihn. Sollten die anderen Vögel auch starren und beobachten, es war ihm egal. Er wollte den Erfolg, er wollte das Blut, eben nur das Blut und nichts anderes.
    Seine Sohlen schleiften durch das Laub. Starre Augen in zahlreichen Vogelköpfen beobachteten seine nächsten Schritte und auch die übergroße Eule glotzte ihm entgegen.
    Er sah sie nicht.
    Der Baum, nur der Baum war wichtig.
    Raskin fuhr durch sein Gesicht. Es klebte eine Flüssigkeit auf der Haut, aber kein Blut, sondern normaler Schweiß. Die andere Kraft hatte er im Zimmer ausgeschwitzt, jetzt brauchte er eine neue Ladung, um die Zukunft bestehen zu können.
    Kraft für alles.
    Für den Beruf, die Frauen, für die Freizeit!
    Ein Geräusch, das wie ein Mittelding zwischen Stöhnen und Lachen klang, hallte durch den Wald, und es riß ab, als er den Baum erreicht hatte und vor ihm auf die Erde fiel.
    Er landete weich auf dem Waldboden. Dann streckte er die Arme aus, als wollte er den Körper einer Geliebten umfassen. Irgendwo war dieser Baum auch so etwas wie seine Geliebte, die ihm die nötige Kraft gab, um zu überleben.
    Er freute sich. Der Stamm kam ihm überhaupt nicht hart vor, er war für ihn weich, biegsam und nachgiebig. Raskin war zufrieden. Er legte seinen Kopf zur rechten Seite hin und streckte die Zunge so weit wie möglich aus dem Mund hervor. Sie tanzte ein wenig zwischen seinen Lippen, bis sie die richtige Position gefunden hatte. An der Zungenspitze spürte er für einen Moment die rauhe Rinde, bis er den Kopf noch weiter gedreht hatte und merkte, wie weich und ölig die aus der Rinde fließende Flüssigkeit war.
    Es war das Blut der Bäume.
    Er freute sich darüber, er liebte es. Er hörte sich schmatzen und schlürfen. Seine Zunge und sein Mund bewegten sich hektisch, als das Blut in seinen Hals hineinrann und er anfing, es langsam und genußvoll zu schlucken.
    Es tat ihm gut. Es war überhaupt die Wohltat für ihn. Er kam sich vor wie ein Genießer, wie ein Gourmet, der es endlich geschafft hatte, einen Platz bei einem bestimmten Starkoch zu ergattern. Was um ihn herum geschah, bekam der Mann nicht mit. Hätte er es gesehen, wäre möglicherweise die tiefe Furcht zurückgekehrt, so aber war er voll und ganz auf sich konzentriert und sah nicht, wie sich die Eule schüttelte, dadurch den Zweig
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