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0907 - Die blutenden Bäume

0907 - Die blutenden Bäume

Titel: 0907 - Die blutenden Bäume
Autoren: Jason Dark
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lösen?«
    »Nein.«
    »Eben.«
    »Aber es gibt Ausnahmen, Herr Drackmann. Es steht fest, daß wir nicht alle Rätsel der Erde lösen können, nur haben die blutenden Birken nicht nur positiv reagiert. Mein Kollege hat Ihnen von dem Gefangenen berichtet. Er trank das Blut der Birken, und er wurde aggressiv. Er hätte Menschen getötet, und wir möchten verhindern, daß der zweite, dieser Raskin, den gleichen Weg geht.«
    »Das kann ich verstehen.« Er umfaßte mit beiden Händen die Tasse und hob sie langsam an. Drackmann war ein Mensch, bei dem die Zeit keine Rolle spielte, das demonstrierte er uns auch, obwohl es mir anders lieber gewesen wäre.
    Er schlürfte seinen Tee. Erst als die Tasse wieder stand, gab er eine Antwort. »Das ist wie bei vielen Dingen so. Auf der einen Seite heilt ein Medikament, auf der anderen treten gewisse Nebenwirkungen auf, die den Geheilten nichts ausmachen, aber den wenigen, die dafür empfänglich sind.«
    »Verhält es sich so mit dem Blut der Bäume?«
    »Ja.« Er runzelte die Stirn. »Ich weiß selbst, daß es nicht einfach ist, Ihnen das zu erklären, denn auch ich habe mir darüber Gedanken gemacht, aber ich muß Ihnen sagen, daß beide Menschen, von denen Sie gesprochen haben, es nicht wert waren, das Blut zu trinken.« Er schüttelte den Kopf und fügte hinzu. »Sie waren schlecht. Es waren keine guten Menschen, und das haben die blutenden Bäume gespürt. Sie hätten den Wald nicht betreten sollen. So sehe ich es. Bei ihnen sind eben die Nebenwirkungen durchgeschlagen. Nichts ist gut oder nur schlecht, ausgenommen Gott, er ist das Gute und die Liebe selbst, aber darunter gibt es zahlreiche Grauzonen und Zwischentöne, und in einer dieser Grauzonen hat sich Ihr Mann befunden. Er war nicht gut - oder nur wenig gut. Er war eigentlich von seinem Charakter her schlecht. Da wollte das Blut, das er getrunken hat, nicht in diesem Gastkörper bleiben. Es wollte raus und suchte sich seinen Weg.« Er schaute uns an und lächelte dabei schmal. »Nehmen Sie mir die Erklärung ab?«
    »Es fällt mir schwer«, gab Harry zu.
    »Ja, es ist nicht einfach, das stimmt.«
    Ich nickte. »Schön, Herr Drackmann, bleiben wir dabei. Sie haben jetzt von den Folgen gesprochen, aber die Ursachen oder die Motive ausgelassen.«
    »Das stimmt.«
    »Gibt es dafür Gründe?«
    Er schaute in seine Tasse und bewegte sich etwas unwillig. »Sie wollen wissen, wie es möglich ist, daß diese Birken bluten?«
    »Genau das.«
    Drackmann schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihnen da wirklich keine klare Antwort geben, die Sie akzeptieren würden. So leid es mir tut, aber es ist so.«
    »Was ist denn geschehen?«
    »Ich war nicht dabei.«
    »Aber das Blut muß in die Bäume gekommen sein. Der Boden spielt bei Pflanzen eine wichtige Rolle. Er ist ein Reservoir für ihre Nährstoffe. Die Säfte steigen in den Stamm, dann in die Äste und Zweige und…«
    »Richtig, alles richtig.«
    »Also kann das Blut, wenn die Naturgesetze hier auch zutreffen, nur aus dem Boden gekommen sein.«
    »Es wäre logisch«, gab Isidor Drackmann zu.
    »Ist es auch logisch?« fragte Harry.
    Drackmann strich durch seinen hellen Bart. »Nun ja, ich weiß nicht, ob wir hier mit der reinen Logik weiterkommen. Die Naturgesetze beruhen zwar auf einer gewissen Logik, aber sie sind nicht unbedingt erforderlich. Es gibt auch andere Wege, und man sollte sich nicht nur auf die reine Wissenschaft verlassen, die innerhalb des kleinen Birkenwaldes ja versagt hat, und das stammt nicht von mir, sondern von der wissenschaftlichen Kommission selbst.«
    »Das Blut der Birken wurde also untersucht!« stelle Harry Stahl fest.
    »Ja.«
    »Und es gab kein Ergebnis?«
    »Es wurde nichts veröffentlicht. Wenn Wissenschaftler schweigen, dann sind sie unsicher. Sie wollten sich ja nicht blamieren. Also läßt man gewisse Dinge einschlafen.«
    Das mochte zwar stimmen, nur glaubte ich nicht daran, daß auch Isidor Drackmann so gehandelt hatte. »Kann es sein, daß auch Sie über die Vorgänge sehr genau nachgedacht haben und womöglich auch zu einem Resultat oder einer Erklärung gelangt sind?«
    »Ja, das ist durchaus stimmig.«
    »Würden Sie uns einweihen?«
    Er lächelte verschmitzt. »Würden Sie mir denn glauben? Wären Sie bereit dazu?«
    »Ja.«
    Er schaute uns wieder an. »Ich akzeptiere Ihre Antwort, denn sie hat ehrlich geklungen.« Wieder lehnte er sich zurück. »Wissen Sie, wenn man so lebt wie ich, dann ist man sehr schnell ein Stück Natur. Dann fühlt man
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