Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

0902 - Das Mädchen und die Loower

Titel: 0902 - Das Mädchen und die Loower
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
aus ihnen dennoch stark ausgeprägte Persönlichkeiten entwickeln. Die Terraner praktizieren die Freiheit des Individuums, aber ihre Kinder versklaven sie. Wären ihre Erziehungsgrundsätze so repressionsfrei wie die Gesetze für mündige Bürger, dann hätten wir eine Menschheit vor uns, in der es Außenseiter wie diesen Boyt Margor nicht gäbe."
    „Du glaubst also auch daran, daß dieser ominöse Einzelgänger das Auge für sich persönlich in Besitz genommen hat?" fragte der Türmer. „Um der Wahrheit gerecht zu werden, muß ich gestehen, daß dies auch für mich unvorstellbar ist", erwiderte Lank-Grohan. „Aber rein wissenschaftlich wäre die Existenz einer solchen Gestalt denkbar - ich meine das hypothetisch-deduktiv betrachtet.
    Aber die Entelechie kennt solche Hypothesen nicht, und das ist der Hauptgrund, warum wir die terranische Denkart nicht verstehen."
    „Demnach wäre die Entelechie der terranischen Philosophie unterlegen?"
    „Das habe ich nicht gesagt", verteidigte sich Lank-Grohan. „Ich meine nur, daß alle Systeme ihre Nachteile haben, so auch das unsere."
    „Woraus schließt du aber, daß die Terraner in ihrer Entwicklung schon viel weiter wären, würden sie ihren Nachkommen bessere Entfaltungsmöglichkeiten bieten?" fragte der Türmer. „Ich habe mir von einem Sonderkommando aus terranischen Archiven einige Standardwerke von Psychologen beschaffen lassen", sagte Lank-Grohan. „Darin fanden sich einige interessante Aussagen über die menschliche Natur und den menschlichen Geist. Die alten Psychologen sind sich alle in einem Punkt einig. Nämlich, daß die Menschen ihre geistige Kapazität nur zu einem Bruchteil wirklich nutzen. Ich wage zu behaupten, daß an dieser Verkümmerung des menschlichen Geistes zu einem guten Teil die repressive Erziehung schuld ist. Wir Loower sind Zweidenker, wir lösen unsere Probleme auf zwei Bewußtseinsebenen, deren wir uns willentlich bedienen können. Die Menschen sind diesbezüglich monoid, aber ihre Psychologen sprechen von ihnen als dreifach geschichteten Lebewesen. An der Oberfläche tragen sie die Maske der Selbstbeherrschung, mit der sie ausdrücken, daß sie sich allen selbsterschaffenen Zwängen und Tabus unterwerfen. Darunter verstecken sie die zweite Schicht, die sie das ,Unbewußte' nennen. In diesem Unbewußten werden alle negativen Eigenschaften in Schach gehalten, die bei labileren Menschen - oder bei entarteten wie diesem Boyt Margor - zum Durchbruch kommen können.
    Dahinter, in der Tiefe, lebt die wahre Natur des Menschen, der biologische Kern, den man als Gegenstück zu unserem Tiefenbewußtsein bezeichnen könnte, der jedoch nicht dasselbe ist. Diese dritte Schicht scheint verleugnet und gefürchtet zu sein, denn sie widerspricht allen Regeln autoritärer Erziehung. In ihr sind die Kollektivität, Sozialität und Liebesfähigkeit verborgen, die wir Loower in unserem Tiefenbewußtsein beherrschen.
    Diese Tiefenschicht scheint mir die einzig reale Hoffnung für die Menschen zu sein, ihr geistiges Elend eines Tages doch noch zu bewältigen.
    Bei Baya war diese Schicht noch nicht so sehr verkrustet, als daß die entelechische Botschaft sie nicht hätte erreichen können. Darum hat sie den Sprung auf unsere Denkebene geschafft."
    „Du hast mir sehr erschöpfend Auskunft gegeben, Lank", sagte Hergo-Zovran. „Aber vertrauter sind mir die Menschen deshalb nicht geworden.
    Ich möchte jetzt allein sein."
    Lank-Grohan ging. Als der Türmer allein war, schob er den eben besprochenen Problemkreis auf die Ebene seines Ordinärbewußtseins ab. Mit dem Tiefenbewußtsein konzentrierte er sich auf eine andere Aufgabe.
    Wieder einmal war ein Intervall um. Ein Intervall, das nach mensch- lieher Zeitrechnung 23 Stunden und 18 Minuten dauerte. Dies war die Zeitspanne, die zwischen den einzelnen Aktivitäten jener bestimmten Materiequelle lag.
    Es wurde Zeit für das nächste Funksignal. Dieser sechsdimensionale Impuls war nicht nur eine Orientierungshilfe für die über das gesamte Universum verteilten Loower.
    Er war auch eine Botschaft an den fündigen Quellmeister Pankha-Skrin. Die Botschaft verhieß, daß hier das Auge war, der Schlüssel zu der von ihm gefundenen Materiequelle.
    Nachdem die Botschaft abgestrahlt war und das nächste Intervall begann, entspannte sich der Türmer vom Mars wieder.
    Wie viele solcher Intervalle mußten noch vergehen, bis Pankha-Skrin den Weg ins Solsystem fand?
    Bisher war noch kein Lebenszeichen von ihm auf dem Mars
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher