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0885 - Die Kralle des Jaguars

0885 - Die Kralle des Jaguars

Titel: 0885 - Die Kralle des Jaguars
Autoren: Simon Borner
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lässig, als sie seinen Blick wahrnahm. »Ich bin auch ganz leise.«
    In Zamorras Kopf fand ein Boxkampf statt, den Connor McArdbegs Bericht und Nicole Duvals blanker Rücken untereinander austrugen. Der Ringrichter musste gekauft sein, denn der Text des alten Schotten gewann.
    Für etwa dreißig Sekunden.
    Abermals knisterte Stoff. Zamorra hob den Kopf und sah Nicoles Hose langsam zu Boden gleiten. »Was ist mit deinem Buch?« fragte sie in gespielter Überraschung, als er plötzlich hinter ihr im Spiegel auftauchte.
    »Das muss warten. Ein schöner Rücken kann auch entzücken, und antike Ruinen haben Zeit - die verschimmeln schon so lang, da können sie auch noch ein paar Stunden warten.« Zart ließ er seine Fingerkuppen über ihre Schulter gleiten. Der Duft ihres Haars war betörend.
    Nicole drehte sich zu ihm um, ihr Blick eine Mischung aus Berechnung und Belustigung. »Wie ich schon sagte, Chef«, flüsterte sie und schlang die Arme um Zamorras Hals, »ich kenne dich besser als du selbst.« Sein Gesicht schien Bände zu sprechen, denn plötzlich brach sie in Gelächter aus und putzte seinen offen stehenden Mund für einen Kuss, den er so schnell nicht vergessen würde.
    ***
    Haberland fand - ganz der Forschergeist - nach dem erhebenden Moment der Entdeckung als Erster die Worte wieder: »Das muss ich sofort zeichnen!« Er setzte sich hin, kramte sein Zeichenbrett und seine Farben aus dem Rucksack und begann, den wunderbaren Anblick zu malen, begabt wie immer.
    Pedro hatte die ganze Zeit schweigend und mit seiner üblichen steinernen Miene neben uns gestanden. Vielleicht lag es am Abendlicht, das die Dinge immer etwas freundlicher aussehen lässt, aber als ich mich schließlich zu ihm umdrehte, vermeinte ich den Schatten eines Lächelns auf seinem Gesicht zu sehen. Doch kaum sah ich genauer hin, war dieser Eindruck schon wieder verschwunden. Ich wandte mich wichtigeren Dingen zu: dem Nachtlager. Wir nutzten das letzte Tageslicht, um in die ersten Ausläufer der Stadt zu gelangen. Den Trägern war ihre Furcht anzumerken, doch muss man sagen, dass Pedro die Männer bemerkenswert gut im Griff zu haben schien. Ein festes Wort von ihm, und die Indios hielten still.
    Im Großen und Ganzen verlief die Nacht ruhig, sieht man davon ab, dass Haberland und ich noch lange in meinem Zelt saßen und uns den nächsten Tag ausmalten. Im Nachhinein fällt mir auf, dass es eine stille Nacht toar. Nichts rührte sich. Doch im Dschungel gibt es eigentlich keine Stille; nicht am Tag, aber erst recht nicht in der Nacht. Immer kreischen Affen, knackt das Unterholz, rascheln Insekten. Dennoch wird mir heute klar, dass es in der Nacht unserer Ankunft in Copán still war - totenstill. Beim Gedanken daran läuft es mir trotz der schwülen Hitze eisig den Rücken hinunter…
    ***
    »… und wenn Sie dann noch an den Maya-Kalender und seine Prophezeihungen für das Jahr 2012 denken, ist es doch von größtem wissenschaftlichen Interesse, sich mit den Relikten dieser alten Kultur zu befassen, finden Sie nicht? Zumindest hier in Mittelamerika erwacht das Interesse an unserer eigenen Vergangenheit mehr und mehr.«
    »Hm«, erwiderte Zamorra unverbindlich. Maya-Kalender, Copán, alte Kultur - das mochte ja alles seine Richtigkeit haben und auch wichtig sein (besonders wenn man auf dem Weg dahin war), doch im Augenblick konnte er nur an die bucklige Landstraße denken, über die ihr kleiner Jeep bereits seit Stunden mit gefühlter Höchstgeschwindigkeit preschte. Und daran, was diese aus seinem Gesäß machte: einen Haufen blauer Flecken nämlich, zumindest seinem Gefühl nach zu urteilen. Unruhig rutschte er auf dem eigentlich gut gepolsterten Beifahrersitz des Jeeps herum und versuchte, eine bequemere Stelle im Sitz zu finden, die noch nicht völlig durchgesessen war.
    Die Reise von Mexico City nach San Pedro Sula in Honduras war noch recht angenehm verlaufen, insbesondere da sich Montejo und dessen wissenschaftlicher Assistent, ein junger Mexikaner namens Elian Rodrigo, der momentan am Steuer des Wagens saß und sich Mühe gab, auch ja kein Schlagloch auszulassen, als interessante und überaus gebildete Weggefährten erwiesen und faszinierende Geschichten zu erzählen hatten. In San Pedro Sula hatte sich ihre kleine Reisegruppe dann einen Jeep besorgt, um zu den Ruinen von Copán zu fahren, die in der Nähe der Landesgrenze zu Guatemala lagen. Und die Straße dorthin war alles andere als gut befestigt.
    »Kollege Shore hatte mich vorgestern
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