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0882 - Der Sonnen-Dämon

0882 - Der Sonnen-Dämon

Titel: 0882 - Der Sonnen-Dämon
Autoren: Jason Dark
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das auf dem Boden liegende Laub, als wäre jemand dabei, eine Leiche hinter sich herzuziehen. Der einsame Mann drehte sich um. In seiner Nähe schlenderte eine Frau vorbei. Sie trug einen glänzenden Lackmantel und lächelte ihm, als sie auf einer Höhe war, zu.
    Noch eine einsame Person, dachte Laroche. Er lächelte nicht zurück. Paris machte viele Menschen einsam. Für Touristen, die kamen und die Stadt schnell wieder verließen, mochte sie noch das alte Flair haben, aber diejenigen Personen, die gezwungen waren, sich durch harte Arbeit ihr Brot zu verdienen, verkümmerten oft.
    Bisher hatte Laroche nicht zu diesen Menschen gehört, weil er durch seine Arbeit voll und ganz in Anspruch genommen war. Seit heute sah er das nicht mehr so. Da kam er sich vor wie ein Gejagter, ein Gehetzter, auf dessen Fersen sich eine unheimliche Macht gesetzt hatte.
    Als er der Frau nachschaute, sah er, wie diese sich halb umdrehte. Sie hatte noch einen letzten Versuch unternommen, aber auch der fruchtete bei Laroche nicht.
    »Ich bin ein Todgeweihter, Madame«, murmelte er. »Gehen Sie lieber weiter.« Er selbst drehte sich um. Er wollte noch ein Stück an der Seine entlanggehen, sich seinen Gedanken hingeben und dabei das Wasser beobachten, das in einem immerwährenden Strom floß. An verschiedene Stellen entstanden Wirbel und Kreisel, so daß in diese Gleichförmigkeit das Chaos hineingeriet, wie auch in Guys Leben.
    Seine Füße schaufelten Laub in die Höhe. Auf dem Wasser fügten sich die dünnen Dunstschwaden zusammen und bildeten leichte Nebeltücher. Sie gaben einen nur verschwommenen Blick auf das andere Ufer frei, wo mächtige, alte Gebäude standen, hinter denen, entfernt und doch irgendwie nahe, der beleuchtete Arm des Eiffelturms in die Höhe ragte.
    Seine Gedanken drehten und bewegten sich. Sie flossen im Kreis, er versuchte vergeblich, sie einzuordnen, was ihm nicht gelang, doch etwas kristallisierte sich hervor.
    Guy Laroche wollte auf keinen Fall die gesamte Nacht über im Freien verbringen, er mußte zurück in seine Wohnung. Er würde sich dort an seinen kleinen Sekretär setzen, nachdenken und auf den Rächer warten.
    Dieser Gedanke erinnerte ihn wieder an die Mumie. An das Gesicht, von dem nur so wenig zu erkennen gewesen war. Nur durch einen breiten Spalt zwischen den Tüchern hatten er und sein jetzt toter Freund Francis einen Teil der Haut sehen können, die wie altes Leder oder zerknittertes Papier gewirkt hatte. Der Körper der Mumie war mit der Dunkelheit verschmolzen. Nur einmal, als er in den kleinen Sarkophag gegriffen hatte, um das Baby hervorzuholen, waren seine Hände erschienen.
    Kompakt und bleich, nicht zu vergleichen mit dem Hautstreifen am Gesicht.
    Stimmen schreckten ihn aus seinen Gedanken. Laroche blieb stehen und schaute nach vorn.
    Er war so schnell wieder in die Realität eingedrungen, daß ihm diese vorkam wie eine Kulisse. Der Schatten einer Brücke streifte ihn wie der vom Fluß heranziehende Nebelhauch. Vor ihm flackerte es unregelmäßig auf. Dort hockten einige Gestalten um ein Feuer unter der Brücke, und deren Stimmen hatte er auch gehört.
    Weitergehen oder nicht?
    Sie hatten ihn schon entdeckt.
    Wie viele es genau waren, hatte er nicht gezählt, aber zwei von ihnen kamen auf ihn zu. Sie trugen Lederkleidung, ihre Köpfe waren beinahe kahl, bis Laroche erkannte, daß sie beide geflochtene Zöpfe trugen, die zu den rechten Seiten hin nach unten hingen.
    Die Typen rochen nach Gewalt. Sie waren die Verlierer einer Ellbogengesellschaft. Sie lebten in ihrer Welt, in einem Sumpf, der sich wie ein Kreisel drehte und aus dem sie nicht herauskamen.
    Zumindest nicht aus eigener Kraft.
    Die mit Steinen bedeckte Böschung an der linken Seite wurde nahe der Brücke von einer schmalen Treppe unterbrochen. Sie war zu erreichen, war für Laroche unmöglich, denn er hätte zu viele Schritte laufen müssen. Das würden die anderen nicht zulassen. Sie standen schon so dicht vor ihm, daß er ihre Alkoholfahnen riechen konnte, und im Hintergrund lachten die Zurückgebliebenen. Unter der Brücke bekam dieses Lachen ein besonderes Echo, so daß es sich nur wenig menschlich anhörte.
    »He«, sagte einer und stieß ihn an.
    Laroche taumelte zurück.
    Der Archäologe konnte zwar mit Worten kämpfen, aber nicht mit Fäusten. Und eine Faust bekam er zu spüren. Sie rammte ihn wie eine Betonhand in seinen Magen. Er beugte sich vor und konnte nicht mehr atmen. Die Welt drehte sich um ihn. Zugleich wurde ihm
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