Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
087 - Der sentimentale Mr. Simpson

087 - Der sentimentale Mr. Simpson

Titel: 087 - Der sentimentale Mr. Simpson
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
stark gerötetem Gesicht, las einige Sätze aus dem an seine Tochter gerichteten Brief. Über die Brille hinweg warf er einen Blick auf Molly, um zu sehen, wie sie die Nachricht aufnahm. Ihr Gesicht war ausdruckslos.
    »Du wirst sehen, daß in einem Jahr alles anders aussieht«, erklärte er ihr - und sich. »Ich mag Thursby recht gern, aber ich muß doch zuerst an dich denken.«
    Sie hob den Blick vom Teller. Sie war nicht außergewöhnlich schön, aber man konnte sie hübsch nennen - und ihre Jugend verlieh ihren Zügen den besonderen Reiz, den ältere Männer so zu schätzen wissen.
    »Bist du sehr reich, Vater?«
    Eine solche Frage hatte sie ihm nie zuvor gestellt.
    »Warum, Molly? Ich habe weder sehr viel Geld noch anderen Besitz. Warum?«
    Sie sah an ihm vorbei, zum Fenster hinaus. »Charles hat vor seiner Rückkehr aus Paris niemals auch nur angedeutet, daß er mich heiraten möchte.«
    Er lachte laut auf. »Junge Leute sind eben romantisch veranlagt«, meinte er humorvoll. »Ich begreife schon, wie dein kleines Hirn funktioniert. Fathergill fuhr nach Paris und entdeckte, daß meine Ölquellen im Nahen Osten ein Vermögen wert sind; er behielt diese Erkenntnis bei sich und kam zurück, um meine Tochter um ihre Hand zu bitten.«
    Die plötzliche Röte in ihrem Gesicht zeigte ihm, daß er richtig getippt hatte. Er weidete sich jedoch nicht an ihrer Verlegenheit.
    »Ich wäre sehr froh, wenn ich das Geld zurückbekäme, das ich in dieses Unternehmen gesteckt habe«, meinte er. »Du scheinst zu vergessen, daß ich über einen Mann in Teheran verfüge, der mich auf dem laufenden hält.«
    »Thursby meint, daß man solche Leute jederzeit kaufen kann«, protestierte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Du vergißt aber doch, daß Charles Fathergill Millionär ist -«
    »Das behauptet er. Thursby sagt -«
    Mr. Linden wünschte Thursby zum Teufel.
    »Ich liebe Thursby aber«, sagte sie stockend.
    Mr. Linden schwieg. Bald danach erhob sich Molly. Sie war noch recht jung. Man konnte nicht behaupten, daß Charles Fathergill in der City von London sehr bekannt war. Das Offensichtliche wird ohne Nachdenken anerkannt; das ist das Gefährliche an den allzu offensichtlichen Dingen. Man weiß, daß die Nelsonsäule am Trafalgar Square aus Stein besteht. Niemand fragt sich, wer sie gemeißelt hat, oder welche Art von Stein verwendet wurde. Jedermann wußte, daß Mr. Charles Fathergill schwerreich war. Er besaß ein Luxusappartement in Carlton House Gardens und hatte dafür zwanzigtausend Pfund berappen müssen. Die Taxichauffeure, das Bedienungspersonal im Club und viele andere kleine Leute, denen Fathergill Trinkgelder zufließen ließ, konnten seinen Reichtum, seine Großzügigkeit bezeugen. Er wurde reicher, indem er für reich galt. Wenn sich die Leute interessiert nach seiner finanziellen Stabilität erkundigten, so erfuhr man, daß nichts Nachteiliges über ihn vorliege; seine Anwälte bezeichneten ihn als angenehmen Klienten und Kunden; einer seiner Bankiers - er bediente sich mehrerer - bestätigte diese Beurteilung. Zu erwähnen wäre eine Nebensächlichkeit - jeder seiner Bankiers hegte den Eindruck, daß gerade er Mr. Fathergills unbedeutendstes Konto verwalte, und oft wurde er gebeten, doch auch eines seiner großen Konten auf diese Bank zu übertragen.
    Wie schon erwähnt, war er in der City nicht bekannt; denn weder spekulierte er noch betrieb er Handelsgeschäfte. Nicht in der City bekannt zu sein hatte seine Vorteile, weil damit auch nichts Nachteiliges bekannt werden kann.
    Mr. Linden begegnete seinem zukünftigen Schwiegersohn ein paar Tage später im Club.
    »Nach Teheran?« Mr. Fathergills Augen weiteten sich. »Du lieber Himmel, ich bin ja erst vor vier Monaten zurückgekommen.«
    Mr. Linden leerte sein Cocktailglas und wischte sich den Mund. »Ich wollte eigentlich selbst reisen ... vielleicht lerne ich die Frau meiner Träume kennen, wie?« John Linden lachte in sich hinein.
    »Wann wollen Sie fahren? Ich muß nach Ankara. Wichtige Geschäfte.«
    Schnelles Nachdenken führte zu dem Resultat, daß Mr. John Lindens Aufgaben ihn hier mindestens noch einen Monat festhalten würden. Charles schürzte nachdenklich die Lippen.
    Er würde vorher abreisen, sagte er.
    Binnen einer Woche verließ er London.
    Thursby Grant verabschiedete sich im Victoriabahnhof von einem Freund, der nach Kairo reiste. Fathergills lächelnden Gruß erwiderte er ohne besondere Anstrengung »Guter Gott!« sagte Thursbys Freund. »Du kennst
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher