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0860 - Die Blutbank von Venedig

0860 - Die Blutbank von Venedig

Titel: 0860 - Die Blutbank von Venedig
Autoren: Earl Warren
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sie. »Der Gondoliere ist kein Mensch so wie wir. Sieh nur, er wirft keinen Schatten.«
    Christoph folgte ihrem Blick. Der Schatten der Gondel geisterte im Schein der Laterne am Bug verzerrt über die Mauern. Auch die Schatten des jungen Paars und der des Ruders waren zu sehen. Von dem Gondoliere jedoch nichts.
    Es war Christoph, als ob ein eisiger Finger über sein Rückgrat fahren würde. Er wusste nicht, was er tun sollte, und wagte es nicht mehr, den unheimlichen Gondoliere noch einmal anzusprechen.
    Die Gondel fuhr weiter. Endlich schimmerte Licht. Die Gondel fuhr durch das schwarze, schweigende Wasser auf einen Palazzo zu, der hinter einer Biegung des Kanals auftauchte. Bei einer Freitreppe gab es eine Anlegestelle. Der Gondoliere ruderte dorthin.
    Der Bug der Gondel mit dem hohen, schwertartigen Stoßeisen stieß an die Mauer. Der Gondoliere winkte dem Paar auszusteigen. Es war kälter, als es hätte sein dürfen. Dunst und Nebel lagen über dem Wasser.
    Der Palazzo war sehr groß und wirkte verfallen. Doch über seinem Eingang sah man über einem breiten Portal, das offen stand, eine Leuchtschrift. »Banca Sangue« stand darauf - »Blutbank«.
    Andererseits, dachte Christoph, konnte der Besitzer der Bank einfach Sangue heißen, oder nicht? Es musste sich um eine Privatbank handeln. Der junge Mann schöpfte Hoffnung. Er arbeitete selbst bei einer Bank, als Schweizer waren für ihn Banken etwas ganz Besonderes. Vor allem sehr sicher.
    Weil er keine andere Hoffnung hatte, setzte Christoph Zuber diese auf die Bank in dem alten Palazzo. Er zog Marietta an der Hand hoch.
    »Lass uns hineingehen. In der Gondel können wir nicht bleiben.«
    Der Gondoliere schaute grimmig. Seine Augen glühten stärker denn je.
    »Was mag uns drinnen erwarten?«, flüsterte Marietta, folgte jedoch ihrem Mann.
    Scheu schaute sie zu dem unheimlichen Gondoliere zurück. Die beiden gingen über den glitschigen, feuchten Marmor des Vorplatzes in die Bank. Es ging drei Stufen hoch. Die Fenster der Bank waren mit schmiedeeisernen Gittern verschlossen, bei einem Geldinstitut durchaus anzuraten.
    Helles Licht brannte drinnen, auch im Obergeschoss, vor dem sich ein schmaler Balkon befand. Auch das Licht ermutigte Christoph einzutreten. Seine Frau folgte ihm.
    Sie fanden sich in einem Saal wieder, der bildhauerisch bearbeitete Marmorsäulen aufwies. An der linken Seite standen Statuen in Nischen. Rechts und links von den Fenstern an der Vorderfront hingen blutrote schwere Samt vorhänge.
    Ein großer, prunkvoller Kronleuchter schwebte unter der Decke. Gaslicht brannte in seinen Zylindern. Im Hintergrund war eine Tür, und rechts befanden sich Schalter, wie bei einer Bank, jedoch so, wie sie im 19. Jahrhundert üblich gewesen waren. Also hinter einer geschlossenen Wand befindlich, die von breiten Gitterfenstern durchbrochen war.
    Es gab drei Schalter. Über einem stand »Kassa«. Im Saal vor den Schaltern war niemand zu sehen. Doch hinter der Kasse saß eine Gestalt mit grünem Augenschirm. Sie hielt den Kopf gesenkt.
    »Da ist jemand«, sagte Christoph. Seine Stimme hallte. »Ich werde ihn fragen.«
    »Ich habe Angst!«
    Der junge Mann drückte beruhigend die Hand seiner Frau. Mit einem dumpfen Knall schloss sich die Eingangstür der Bank. Die Flammen in den Gaszylindern bogen sich wie unter einem Windstoß, obwohl das physikalisch nicht sein konnte. Dann wurde die Beleuchtung um vieles schwächer.
    Düster war es im dem großen, kalten Saal mit dem nackten Marmorboden.
    Christophs Knie zitterten, und er spürte, dass Marietta am ganzen Leib bebte. Doch es gab keinen anderen Ausweg, hinaus konnten sie nicht. Christoph ging davon aus, dass sich die Eingangstür nicht mehr öffnen ließ.
    Er schluckte und rang um seine Fassung. Kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn.
    »Das muss ein dummer Scherz oder ein Irrtum sein«, sagte er, und er wusste, dass er Unsinn redete.
    Doch er versuchte, entschlossen aufzutreten, um seiner Frau Mut zu machen. Er wollte vor ihr nicht als Feigling dastehen und hielt es für seine Pflicht, Haltung zu zeigen.
    Daheim war er bei den Gebirgsjägern gewesen. Er hatte seinen Militärdienst abgeleistet und war dabei im Nahkampf ausgebildet worden. Normalerweise konnte er sich überall behaupten. Jetzt warf er sich vor, dass er es so weit hatte kommen lassen, dass sie bis hierher geraten waren.
    Ich hätte den Gondoliere gleich angreifen sollen, dachte er.
    Er ging, Marietta hinter sich herziehend, zum Kassenschalter der
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