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0850 - Rache aus der Totenkammer

0850 - Rache aus der Totenkammer

Titel: 0850 - Rache aus der Totenkammer
Autoren: Jason Dark
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keuchend, den Kopf nach vorn gedrückt, dann langsam in die Knie sinkend. Seine Handflächen schabten am rauhen Mauerwerk entlang, als könnten sie sich dort hineinfressen.
    Auch Harry Stahl war nicht mehr der alte. Nach und nach aber kehrten seine normalen Gedanken zurück, und die vergangenen Ereignisse liefen noch einmal wie ein Film vor seinen Augen ab. Nur tauchten die Bilder nicht auf einer Leinwand auf, sie schwebten im Leeren, waren etwas verschwommen, aber dennoch erkennbar.
    Irgendwann wurde ihm klar, daß dieser Fall sich ausweiten würde. Er verglich ihn schon jetzt mit einem Eisberg, von dem nur die Spitze aus dem Wasser ragte, der größte Teil aber unter der Oberfläche schwamm und darauf wartete, ins Freie zu kommen.
    Warum er an Gregor Schmidt dachte, wußte er zunächst selbst nicht. Bis ihm einfiel, daß dieser Schmidt möglicherweise gewußt hatte, was sich hinter diesem Fall verbarg und er bereits in der Entstehungsphase einen Rückzieher gemacht hatte, um den ehemaligen Kommissar ins Spiel zu bringen. Es war ja so einfach bei ihm gewesen. Man brauchte nur mit der Rehabilitierung zu locken, und schon sprang er an.
    Harry lachte.
    Die Rechnung war aufgegangen, aber dieser Schmidt würde sich noch wundern. Wenn er gedacht hätte, Stahl auf eine sehr heimtückische und hinterfotzige Art loswerden zu können, hatte er sich geirrt. Für Harry fing der Fall erst an. Er brannte, er war wie Feuer, und Stahl nahm sich vor, es zu löschen.
    Seine Bewegungen waren schon wieder sicherer, als er sich umdrehte und auf Jochems Rücken schaute.
    Der Mann kniete noch immer an der Mauer. Mit einem Arm stützte er sich ab, den anderen hatte er angewinkelt und über seine Augen gedrückt, als könnte er die Schatten der Erinnerung vertreiben.
    Harry ging auf ihn zu. Jochem hatte die Schritte des Mannes gehört und drehte den Kopf. Er sah die ausgestreckte Hand, faßte zu und ließ sich in die Höhe ziehen.
    Beide Männer standen sich gegenüber und schauten sich an. Jochem aus rot geäderten Augen und mit einer leichten Verzweiflung im Blick.
    »Begreifst du es, Harry?«
    »Nein, noch nicht. Aber ich werde es begreifen, Franz.«
    »Wann und wie denn?«
    Stahl lächelte. »Das war erst der Anfang, mein Lieber. Ich kann dir versprechen, daß ich am Ball bleiben werde. Und ich werde nicht allein dastehen, denn ich habe Freunde, die besser sind als ich. Die werde ich herholen.«
    Franz Jochem kam damit nicht zurecht. »Hast du denn keine Angst?« fragte er.
    Stahl schaute zu Boden. »Angst?« wiederholte er. »Himmel, wer keine Angst hat, der ist ein Lügner, sage ich dir. Ein verdammter, mieser Lügner. Einer, der sich selbst etwas vormacht, verstehst du?«
    »Ja, aber trotzdem. Was wir hier erlebt haben, das…. das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen.«
    »Geht es auch nicht.«
    »Und trotzdem willst du weitermachen?«
    »Ich muß.«
    »Warum denn?«
    »Es geht auch um mich, Franz. Man hat mich geholt, ich werde am Ball bleiben, und wir werden bald nicht mehr allein sein.«
    »Wir?«
    »Ja, du bist mit von der Partie. Allerdings nur als Helfer. Ich werde dich aus der vordersten Linie heraushalten. Du hast dieses Gesicht zum zweitenmal gesehen, du hast erlebt, wie die Gestalt der toten Rita Reinold wiedergeboren wurde, du bist der erste Zeuge gewesen, und du kannst jetzt nicht einfach kneifen und so tun, als wäre nichts passiert. Ich bin dir jetzt schon dankbar, daß du den Fall überhaupt ins Rollen gebracht hast.«
    Das begriff der ältere Franz Jochem nicht. »Wieso kannst du mir dankbar sein, wenn ich dich in Lebensgefahr bringe?«
    »Tust du das?«
    »Ja, verflucht.« Er deutete zuckend auf die Außenmauern des Gefängnisses. »Hast du denn vergessen, was wir dort unten erlebt haben?«
    »Das habe ich nicht.«
    »Eben.« Jochem regte sich weiter auf. »Und dann willst du trotzdem weitermachen?«
    Harry Stahl lächelte seinen Partner plötzlich an. »Mal ehrlich, Franz, ist dir etwas passiert? Oder mir?«
    »Nein, das nicht.«
    »Genau.«
    »Aber darauf kannst du doch nicht hoffen, Harry.«
    »Nicht immer«, gab Stahl zu, »wirklich nicht immer. Es steht fest, daß dieser Geist aus dem Jenseits oder wo immer auch her zurückgekehrt ist. Daran gibt es keinerlei Zweifel. Aber eins steht ebenfalls fest: Die Erscheinung hat uns nichts getan. Zumindest dir nicht. Die Fratze tat uns auch nichts. Sie und der Geist der Rita Reinold haben andere Aufgaben zu erfüllen, denke ich mir.«
    »Welche denn?«
    »Rache!«
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