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0841 - Der gläserne Tod

0841 - Der gläserne Tod

Titel: 0841 - Der gläserne Tod
Autoren: Christian Montillon
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Oberfläche zur Seite weg.
    Immer wieder stachen Beine ihres Gegners in den Boden, vor ihr, neben ihr, hinter ihr. Dann traf sie ein Schlag auf den Rücken, und Schmerzen tobten durch ihren Körper. Sie spürte, wie eine Schuppe unter dem mörderischen Druck barst.
    Nackte Panik hielt sie in ihrem Griff. Sie arbeitete sich nach oben, durchstieß die Oberfläche.
    Frei! Der Wüstensprinter befand sich rechts von ihr.
    »Wo ist dein Volk?«, schrie er. »Endlich haben wir euch wiedergefunden! Ihr seid lecker, lecker, lecker!« Wieder und wieder stieß er in die Erde. In seiner tobenden Gier hatte er noch nicht bemerkt, dass Shira seinem Zugriff entkommen war. »Endlich werden wir wieder satt! Satt und fett!«
    Shira rannte weg. Ihre Tatzen jagten über den Sand. Ihr Rücken tobte unter glühendem Schmerz. Todesangst trieb sie voran.
    Hinter ihr wurden die Schreie immer leiser. »Satt und fett! Satt und fett!«
    Sie warf einen Blick zurück und erahnte eine dunkle Silhouette, die wie rasend hin und her sprang.
    Es überlief sie kalt bei der Vorstellung, wie die riesigen Achtbeiner sie und ihr Volk fraßen.
    ***
    Wissen, das in einem Sekundenbruchteil in die Gehirne Professor Zamorras und Nicole Duvals einströmt: Ich weiß, dass ich ihn finden werde, auch wenn keinem anderen dies gelingen könnte.
    Kelvo… ein Dämon, von dem man seit Jahrhunderten nichts mehr gehört hat. Oder doch? Wer könnte etwas über ihn wissen?
    Merlin? Asmodis oder Sid Amos, wie er sich jetzt nennt? Möglich, aber selbst wenn es der Fall wäre, würden sie aus irgendwelchen Gründen schweigen.
    Stygia, die Herrscherin auf dem Höllenthron? Sie dürfte über ihre Untergebenen Bescheid wissen. Aber wie soll ich an sie herankommen? Wie sie zum Reden zwingen? Fragen über Fragen und keine Antworten.
    Ich höre mich um. Es gibt Verbindungen, die Torre Gerret nutzte, als er noch am Leben war, ein schwacher, erbärmlicher Mensch, der seinem Konkurrenten um die Unsterblichkeit unterlag und deshalb auf Rache sann.
    Ich habe mich geändert, ertönt in diesem Augenblick Gerrets Stimme in mir. Der Aufenthalt in der Hölle der Unsterblichen hat mich geläutert. Habe ich mich etwa nicht gedemütigt und meinen ehemaligen Feind Zamorra um Hilfe gebeten? Es war schrecklich, unendlich grausam, all die Jahre lang! Ich bin nicht mehr derselbe!
    Es fällt mir immer schwerer, die einzelnen Stimmen in mir zu unterscheiden. Was ist Torre Gerret, was Andrew Millings? Was ist das Neue, und was bloß ein Ergebnis der KRANKHEIT?
    Außerdem meldet sich immer häufiger noch jemand, ganz leise, aber voll durchdringender Klarheit. Bislang dachte ich, dass ich die Stimme des Langka nie wirklich hören würde, dass sich seine Existenz lediglich in der großen magischen Kraft äußert, die mich durchflutet. Ich weiß, dass das Langka kein Gegenstand, sondern eine Lebensform war - aber es theoretisch zu wissen oder tatsächlich in sich zu spüren, ist ein himmelweiter Unterschied.
    Kelvo hat Spuren hinterlassen, sagt das Langka. Du musst nur wissen, wo du zu suchen hast.
    Gleichzeitig blitzt ein Bild in mir auf. Ich sehe Berge. Hohe, zerklüftete, mit Schnee bedeckte Achttausender reihen sich nahezu endlos aneinander.
    Ich kenne diesen Anblick. Andrew Millings hat ihn schon einmal wahrgenommen, vor Jahrhunderten, als ihn eine Reise über den halben Erdball führte.
    Nepal.
    Ein Teil des Himalaja.
    Ich war einmal dort, weil dort angeblich tief im Inneren des Dhaulagiri eine magische Bibliothek existiert, sagt Millings. Seine Erinnerung sprudelt in mir, und ich weiß plötzlich so genau darüber Bescheid, als sei ich selbst dort gewesen. Andrew Millings hatte während seiner »ersten« Zeit als Dämonenjäger, als er noch den Namen Arthur trug, vergeblich versucht, Zutritt zu dieser Bibliothek zu erlangen. Einige Jahre lang hatte er den Eingang gesucht. Die Menschen hatten ihn ausgelacht. »Im Inneren des Dhaulagiri gibt es nichts anderes als Felsen und in ewigem Eis erstarrte Höhlen«, hatte er immer wieder hören müssen. »Dort kann nichts leben.«
    Doch Magie scherte sich schon damals nicht um physikalische Gesetzmäßigkeiten. Im Gegenteil, sie sprengt jedes Naturgesetz und kann sowohl Tod schaffen als auch Leben dorthin bringen, wo es eigentlich nicht existieren kann.
    Andrew Millings hatte damals keinen Eintritt in die geheime Bibliothek erlangt, aber mir stehen ganz andere Möglichkeiten als ihm zur Verfügung.
    Nach Nepal zu reisen, kostet mich nichts als einen Gedanken.
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