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084 - Mord aus dem Jenseits

084 - Mord aus dem Jenseits

Titel: 084 - Mord aus dem Jenseits
Autoren: Earl Warren
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Beruf trug er Gelehrter ein, als Heimatstadt nannte er Toluca in Mexico. Calaveras war ein untersetzter, stämmiger Indio unbestimmbaren Alters. Obwohl europäisch gekleidet, haftete ihm etwas Fremdartiges an. Sein Gesicht war so unbewegt wie eine steinerne Maske. Die dunklen, tiefliegenden Augen wirkten stechend.
    Der Mexikaner füllte einen zweiten Zettel aus. „Antonio ist mein Diener“, sagte er zu dem Portier, während er schrieb. „Er ist taubstumm. Wenn es irgend etwas zu besprechen oder zu fragen gibt, wenden Sie sich an mich.“
    „Wie Sie wünschen, Senor Calaveras“, antwortete der weißhaarige Portier mit unbewegtem Gesicht. Die schroffe, hochfahrende Art des neuen Gastes gefiel ihm nicht. Er nahm einen Schlüssel vom Brett.
    „Zimmer 38“, sagte er laut zu Calaveras und dem Hausdiener, der das Gepäck des Indios und seines Dieners ausgeladen und in die Hotelhalle gebracht hatte.
    Der Hausdiener ging zum Lift und drückte den Abwärtsknopf. Während er, Calaveras und der taubstumme Antonio warteten, betrachtete der Portier den Diener. Der war ein großer, auffallend blasser und ungelenker Mensch.
    Antonio war ein Weißer. Der Portier hätte allerdings nicht sagen können, welcher Nation er angehörte.
    Der Lift kam und entführte die merkwürdigen Gäste nach oben. Im ersten Stock schloß Calaveras selbst die Tür seines Zimmers auf. Dann schickte er den Hausdiener sofort hinunter, um die restlichen Koffer zu holen. Als der zurückkam, erwartete Antonio ihn auf dem Gang. Er nahm dem ächzenden Mann die beiden schweren Überseekoffer ab, trug sie mühelos ins Zimmer, und schloß die Tür vor der Nase des Überraschten.
    „Unfreundliches Volk“, murrte der Hausdiener. „Ausländer, verdammte.“ Er stieg mürrisch die Treppe hinab.
    In den Zimmern des Hotels waren alle Rolläden heruntergelassen, um die Hitze abzuhalten. Die Fenster aber standen offen. Bald nach der Ankunft der mexikanischen Gäste wurde die brütende Stille des Julinachmittags von schrillen, unmelodischen Flötentönen durchbrochen.
    Es war eine Melodie, die durch Mark und Bein ging, disharmonisch, klagend, wie aus einer anderen Welt. Wer die Töne hörte, dem lief trotz der Hitze eine Gänsehaut über den Rücken.
    „Was ist denn das für eine Katzenmusik?“ schimpfte der Hotelbesitzer August Trent. „Wo kommt der Lärm her?“
    Die Wohnung der Familie Trent befand sich im dritten Stock des Hotels‚ Zum Hessischen Hof’. Trent erkundigte sich übers Haustelefon an der Rezeption. Auch der Portier hatte die Töne vernommen, die in der Stille durch Stein und Mauern zu dringen schienen.
    „Ich will einmal nachschauen“, sagte der Portier. „Ich rufe dann gleich zurück.“
    Er lauschte angestrengt. Die seltsame Musik kam von oben und hatte eine eigenartige Wirkung auf ihn. Er fühlte sich erregt und zugleich etwas eingeschüchtert.
    Der Portier ging in den ersten Stock. Wie er es sich schon gedacht hatte, war der seltsame Flötenspieler hinter der Tür von Nr. 38 zu suchen. Er rief den Hotelbesitzer vom Etagentelefon aus an. Anderthalb Minuten später war August Trent da.
    Er wirkte ein wenig verschlafen, denn er hatte gerade ein Nickerchen gemacht, als die seltsamen Klänge ihn unsanft weckten. August Trent klopfte.
    Er drückte die Klinke nieder, doch die Tür war abgesperrt. Trent klopfte wieder, diesmal energischer. Das Flötenspiel brach mit einem schrillen Mißklang ab. Trent verzog schmerzlich das Gesicht.
    Der Schlüssel wurde im Schloß gedreht. Julio Calaveras öffnete die Tür. Seitlich hinter ihm stand, mit glasigen Augen, halboffenem Mund und hängenden Armen, der Diener Antonio. Seine Gesichtsfarbe erinnerte den Hotelier an schimmliges Weißbrot.
    „Was ist das für ein Lärm?“ fragte der Hotelier schärfer als er es beabsichtigt hatte. „Verschiedene Gäste haben sich beschwert.“
    Das entsprach nicht ganz den Tatsachen.
    „Was geht Sie das an?“ fragte Calaveras mit deutlichem Akzent. „Mache ich Ihnen Vorschriften, welche Musik Sie hören oder spielen? Wer sind Sie denn eigentlich?“
    „Mein Name ist August Trent. Ich bin der Besitzer des Hotels.“
    „Julio Calaveras, Privatgelehrter aus Toluca. Ich bin ein leidenschaftlicher Verehrer alter indianischer Volksweisen, Senor Trent, und ich liebe das Flötenspiel. Was die Gäste Ihres Hotels so aufgebracht hat, war eine Weise, die bis in die Zeit der Azteken zurückgeht. Sie heißt: Die Schwingen des Todes.“
    Die Schwingen des Todes! In den
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