Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
08

08

Titel: 08
Autoren: Man stirbt nur zweimal
Vom Netzwerk:
zusammen, aber an seine Zuckungen hatte ich mich mittlerweile gewöhnt.
    „Hier wohnt ihr?", fragte ich und fühlte mich, als hätte ich Stroh im Haar und Kuhscheiße an den Schuhsohlen. Jetzt fehlten nur noch ein paar Lacher aus der Konserve im Hintergrund, und das Bild wäre perfekt. „Ihr wohnt hier?"
    „Ja", sagte Michael kurz angebunden, während der Wagen auf den Haupteingang zusteuerte. Ich presste mir die Nase am Autofenster platt. Gut, dass ich nicht mehr von Sauerstoff abhängig war, so beschlug die Scheibe wenigstens nicht.
    Es war ein Schloss.
    Nein, ehrlich. Ein Schloss. Auf Cape Cod! Und ich war nicht die Einzige, die staunte wie ein Bauerntölpel: Sowohl Jessica (die den ganzen Weg hierher verschlafen hatte, ebenso wie Baby Jon) als auch Sinclair machten große Augen.

    Kies knirschte unter den Reifen, als wir uns dem Schloss aus rotem Backstein mit seinen unzähligen Fenstern näherten, das sich mitten auf einer riesigen Grünfläche, mit dem Atlantischen Ozean im Hintergrund, scheinbar endlos in das Grau des Abendhimmels erhob. Wenn es schon bei Nacht aussah wie verzaubert, wie schön würde es erst bei Tage sein?
    Ich nahm mir fest vor, es herauszufinden. Wenn man Mitglied im Club der Untoten war, war es sehr empfehlenswert, die prophezeite Königin zu sein.
    Nicht nur, dass ich bereits nachmittags
    3i
    aufwachte statt erst bei Sonnenuntergang, ich konnte sogar nach draußen gehen. Ich verbrannte nicht, ganz zu schweigen davon, dass ich mir keine Sorgen um Falten oder Sommersprossen machen musste. Es war ungefähr so, als würde man in einem Club den Stempel auf die Hand gedrückt bekommen, nur viel, viel cooler.
    Ich bemerkte, dass ich immer noch mit offenem Mund staunend im Wagen saß, und zerrte am Türgriff. Als ich aus der Limousine stieg, hörte ich das Rauschen der Wellen und schmeckte das Salz in der Luft, die Süße des Grases.
    Ich legte den Kopf zurück und blickte hinauf in einen Sternenhimmel, wie ich ihn nie zuvor gesehen hatte.
    Es war beinahe zu viel für meine Sinne. Die Nacht war herrlich, und, bei Gott, es roch ebenso herrlich, und ich war dankbar für meine verschärften Sinne (was nicht immer der Fall gewesen war - von Marcs Aftershave will ich gar nicht erst reden).
    Bisher hatte ich nicht gewusst, wie herrlich ein Duft sein konnte.
    „Es ist spät", sagte Michael knapp und ging mit großen Schritten zum Haupteingang. Jeannie folgte ihm dichtauf. Auch Sinclair ging auf gleicher Höhe mit ihnen. (Wie gelang es ihm nur, immer genauso schnell wie der Größte und Stärkste zu sein, als wäre er einer von ihnen?) Also riss ich mich los und trabte Jessica hinterher, die sich ihrerseits beeilen musste, um Schritt zu halten. Ich hatte Baby Jons Autositz gelöst und hob ihn hoch. Auf einmal wog er so schwer, als wäre er mit Goldbarren gefühlt, während ich den anderen nacheilte und schnüffelte und mich umsah und den Griff fester packte, damit der Sitz mir nicht gegen die Schienbeine schlug.
    Guter Gott, ich war wirklich nicht mehr in Form, wenn schon ein einfacher Gang ins Haus . . Schloss ... meine
    17
    Aufmerksamkeit so sehr beanspruchte, geschweige denn meinen Gleichgewichtssinn.
    „Und es gibt viel zu besprechen."
    Äh? Oh, richtig. Es war Michael, der da redete. Ich sollte wohl besser zuhören.
    „Echt? Glaubst du?", flüsterte Jessica mir zu. „Und ich habe gedacht, wir wären wegen des Hummers hier."

    Ich unterdrückte ein Lachen, obgleich ich wusste, dass die Situation nichts Amüsantes hatte, selbst wenn Antonia und Garrett nicht tot gewesen wären.
    Unser Vorhaben war ziemlich heikel, und Witze über Meeresfrüchte waren da wohl nicht angebracht (obwohl ich mich fragte, ob ich wohl die Gelegenheit bekommen würde, Muschelsuppe zu essen). Vielleicht war es merkwürdig, wenn ein Vampir sich Sorgen machte oder angespannt war - dieser Vampir hier zumindest -, aber anders als es immer in Büchern und Filmen dargestellt wird, konnten auch für einen Vampir Wochen - wenn nicht gar Monate -
    vergehen, ohne dass etwas Aufregendes passierte.
    Die letzte Woche allerdings war nicht so eine Woche gewesen. Ich hatte gedacht, zu Beginn der Woche hätten wir den schlimmsten Teil hinter uns gebracht, als die Biester plötzlich wild wurden, diese Mordfälle zu lösen waren, ich aufpassen musste, nicht selber das Zeitliche zu segnen (Übung macht den Meister, und deswegen war ich mittlerweile recht gut darin, was aber nicht hieß, dass es dadurch amüsanter wurde), und ich dann noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher