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0797 - Tränenjäger

0797 - Tränenjäger

Titel: 0797 - Tränenjäger
Autoren: Volker Krämer
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Wohnung einzubrechen, doch so war es ihm lieber.
    Als Artimus die Wohnungstür hinter sich schloss, flackerte ohne sein Dazutun die Deckenbeleuchtung auf. Gleichzeitig setzte ein Impuls die heruntergelassenen Rollos in Bewegung. Licht durchflutete die Räume. Artimus grinste anerkennend. Solche Spielereien konnten durchaus eine Erleichterung für eine Kleinwüchsige sein. Zudem bewiesen sie ihm erneut die geistige Verwandtschaft zwischen Khira und ihm.
    Der Physiker hatte sich zuvor keine großen Gedanken darüber gemacht, wie Khira Stolt wohl wohnte. Nun wurde ihm klar, dass er hier keine Wohnung im üblichen Sinne erwarten konnte. Zumindest nicht so, wie ein normal großer Mensch sie sich vorstellte.
    Alles war nach den Bedürfnissen kleinwüchsiger Menschen gestaltet. Speziell das Bad und die Küche erfüllten ganz bestimmte Kriterien. Alles war in der Höhe angepasst - vom Herd bis hin zur Nasszelle. Das mochte alles ein kleines Vermögen verschlungen haben. Khira war in einer Position, in der sie sich so etwas finanziell erlauben konnte. Die meisten Kleinwüchsigen mussten jedoch sicher mit dem vorlieb nehmen, was sie vorfanden.
    Die Gesellschaftsformen dieser Welt ignorierten alles, was sich nicht innerhalb einer ganz bestimmten Norm bewegte - und es gab keinen Hinweis darauf, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas entscheidend ändern sollte.
    Van Zant sah sich unschlüssig um. Wo sollte er beginnen?
    Er hatte eine verschwommene Vorstellung von dem, was er hier zu finden hoffte, mehr nicht. Jeder Mensch bewahrte etwas auf, das zu seiner ureigenen Kindheit gehörte. Eine Puppe, einen Teddybären - Bilderbücher, alte Schulhefte und ähnliches mehr. Vor allem aber doch sicher Fotos. Vielleicht alte Briefe, Postkarten… irgendeinen Hinweis auf die Zeit ihrer Kindheit musste auch Khira Stolt hier aufbewahren. Oder war es genau das, was sie verdrängen, für immer vergessen wollte?
    Alles Überlegen half nichts. Nur systematisches Durchforsten der Räume würde vielleicht den einen und entscheidenden Hinweis zu Tage fördern. Artimus van Zant war sicher, dass er Khira Stolt nur finden konnte, wenn er an den Ort ihrer Kindheit ging.
    Wo dieser sich allerdings befand, hatte auch der Tendyke Industries-Computer ihm nicht verraten können.
    »Also los, alter Knabe. Wer nicht sucht, der wird nicht finden.« Artimus erschrak über den Klang der eigenen Stimme, denn in der völligen Stille der Wohnung wirkte sie deplaziert.
    Schweigend setzte er sich an den offensichtlich speziell für die Biologin angefertigten Schreibtisch und begann die Schubfächer zu durchsuchen.
    Möglich, dass er den ganzen Tag brauchen würde, doch Artimus van Zant war fest entschlossen, die Wohnung nicht ohne ein greifbares Ergebnis zu verlassen.
    Dass er damit tief in ihr Privatleben eingriff, rechtfertigte er mit der Bedrohung durch Sarkana und den anderen Vampir.
    Die Zeit drängte, denn mit jeder Minute konnte die Gefahr für Khira Stolts Leben drastisfch steigen.
    Wenn sie überhaupt noch lebte…
    ***
    Ein weiches Tuch, getränkt in lauwarmem Wasser…
    »Warte, Kind, ich helfe Dir. Gleich ist alles wieder gut. Ist ja nicht schlimm.«
    Sie hörte die Stimme der Mutter wie aus weiter Feme. So viel Wärme lag in ihr, so viel Sicherheit und-Vertrauen. Sekundenlang erwartete sie, dass Mutter mit dem feuchten Vlies sanft über ihre Augen strich, damit sich die Krusten, die sich über Nacht gebildet hatten, endlich lösen konnten.
    Doch natürlich blieb das wohlige Gefühl aus, denn ihre Mutter war tot. Viele Jahre waren vergangen, seit dem Tag, an dem so viele Menschen ihr Leben unter der grausamen Mordlust eines einzigen Wesens verloren hatten. Einer Kreatur, die nichts Menschliches an sich hatte und deren Hände vor Blut trieften…
    So viel Blut… Schreie der Todesangst… Menschen, die sich in Panik aneinander drückten, um bei dem anderen Schutz zu suchen. Und jede Nacht kamen die Träume zurück, die das alles immer und immer wieder neu geschehen ließen. Quälende Schattenbilder, die sich nicht vertreiben ließen.
    Mit den Fingerspitzen begann sie vorsichtig ihre Augenlider zu massieren. Sie wollte sehen, wo sie sich befand, an welchem Ort sie das Bewusstsein zurück erlangt hatte. Doch wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann wusste sie es ja bereits.
    Es war diese penetrante Mischung aus Schweiß, Kot und Blut, der ihr sofort und unverkennbar in die Nase gekrochen war. Der furchtbare Gestank, der ihre Kindheit begleitet
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