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0789 - Amoklauf der Werschnecke

0789 - Amoklauf der Werschnecke

Titel: 0789 - Amoklauf der Werschnecke
Autoren: W.K. Giesa und Martin Kay
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Aug’n?«
    Rudi Hellmann schreckte hoch und blinzelte durch das Sichtfenster der Kabine nach draußen. Eingeschlafen? Er war sich nicht sicher. Zumindest hatte er vor sich hin geträumt. Auf dem Steuerpult vor ihm lag einer jener Gruselromane, die Gerd Wuttke gern als Schundlektüre bezeichnete. Er war gerade mal bis zur Seite 7 gekommen, da musste er zumindest weggedöst sein.
    Sich die Müdigkeit aus den Augen reibend, beugte er sich vor und las die letzte Textstelle noch einmal. Tatsächlich kamen ein Wolfsmann und zwei Blutsauger darin vor, nur hatte er sich in seinem Wachtraum selbst als heldenhaften Dämonenjäger gesehen. Wie so oft schon, wenn er in seiner Lektüre voll und ganz aufging. Deswegen nannten seine beiden Kinder ihn auch Mystery-Dad. Nun ja, auf der Arbeit hieß er nur Spinner, wenn es um seine Heftchen ging.
    »Haaallloooo!«, dröhnte es aus dem Lautsprecher des Funkgeräts, das neben der Steuerkonsole des Krans eingehakt war. »Jemand zu Hause?«
    Rudi seufzte und drückte die Sendetaste. »Was is denn?«
    Am anderen Ende war ein leises Lachen zu hören. »Wohl doch eingepennt, wa?«, fragte Gerd Wuttke.
    Rudi beugte sich zum Fenster vor, schaltete in der Dunkelheit die Lichter des zweiten Krans aus und hielt dem Kollegen den Mittelfinger entgegengestreckt. Auch wenn dieser die Geste über die Entfernung von knapp einhundert Metern gar nicht sehen konnte, erfüllte sie Rudi Hellmann mit Befriedigung.
    »Du sachs ja nix«, stellte Wuttke am anderen Ende der Funkverbindung fest. »Is dir dat Vahör vohin auffem Mang geschlang?«
    Rudi hob die Schultern, auch wenn Wuttke dies ebenfalls nicht sehen konnte. Das Verhör durch die Dortmunder Kripo hatte gut und gerne zwei Stunden ihrer Arbeitszeit gekostet. Ja, sie hatten wieder eine Leiche gefunden - oder vielmehr das, was von ihr übrig war.
    Ein armseliger Arm, sinnierte Rudi und lachte dann rau über das Wortspiel.
    »Ach Scheiße, jau«, knurrte er dann. Er erinnerte sich, dass sein Kollege es nicht hören konnte, drückte die Sendetaste und wiederholte seine Worte.
    »Mach dir nich ins Hemd«, meinte Wuttke. »Da is noch gar nix erwies’n.«
    »Machse Witze, Alter?«, fuhr Rudi auf. »Ein Arm, ein Skalp und ein halb vawesta Fuß is nix? Ich sach dir was: Drei Kerle sind hier im Haf’n übba de Klinge gehopst. Drei! Sollichbuchstabier’n?«
    Rudi fuhr sich nervös durchs Gesicht. Er verstand seinen Kollegen nicht, wie er die Augen vor der Wahrheit verschließen konnte. Selbst die Polizei sah einen Zusammenhang zwischen den Leichen, und für die war ganz klar, dass es sich um Mord handelte.
    Mord!, dachte Rudi. Hier… im Hafen. Wo ich arbeite!
    Ein Reflex jenseits des Fensterglases erweckte seine Aufmerksamkeit. Er blickte gut zwanzig Meter in die Tiefe und versuchte etwas auszumachen. Doch außer mehreren hundert Containern der verschiedensten Reedereien war im ersten Moment nichts zu sehen. Das Flutlicht tauchte den Lagerplatz der Seecontainer in einen gespenstischen, unwirklichen Schimmer. Man konnte in den Schatten zwischen den Metallbehältern alles Mögliche erkennen, wenn man genug Fantasie besaß.
    Und das war Rudis Problem - sein Übermaß an Fantasie. Er dachte kurz an die Begegnung mit dem Werwolf und den beiden Vampiren zurück. Nein, Rudi Hellmann war kein sonderlich imposanter Name für einen Dämonenjäger. Er grübelte eine Zeitlang nach und beugte sich übermäßig weit über das Steuerpult hinaus, bis seine Nasenspitze fast die Frontscheibe des Containerkrans berührte.
    Rudolf Graf von Hellmann, dachte er und stieß gegen die Flasche Kronen Export, die er weiter vorn gelagert hatte. Sie fiel zu Boden und zerplatzte. Augenblicklich breitete sich der Geruch von schalem Bier in der Führerkabine des Krans aus. Rudi fluchte, stützte sich an einem Hebel ab und drückte diesen dabei versehentlich zu weit nach vorn.
    »Hoppla!«, rief er aus, um kurz darauf einen derberen Fluch folgen zu lassen.
    Der Magnetgreifer klinkte aus. Ein leichter Ruck ging durch den Kran, als das tonnenschwere Gewicht eines Containers plötzlich nicht mehr vorhanden war. Nur eine Sekunde darauf erscholl ein ohrenbetäubender Knall.
    Der Kran erzitterte. Die Fensterscheiben vibrierten sichtlich. Der Nachhall war sicher im ganzen Hafengelände zu hören gewesen.
    »Bissu völlich meschugge?«, kreischte Wuttke durch das Funkgerät.
    »Rech dich ab, Alter«, sagte Rudi. »War ein Leercontäna.«
    »Rech dich ab, rech dich ab«, äffte Wuttke den anderen
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