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0789 - Amoklauf der Werschnecke

0789 - Amoklauf der Werschnecke

Titel: 0789 - Amoklauf der Werschnecke
Autoren: W.K. Giesa und Martin Kay
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zufrieden sein. Der Garten in der Schreberanlage Vorwärts war sein ganzer Stolz. Er besaß das größte Grundstück auf dem Gelände.
    Und das schönste, dachte er, während er seine Blicke über die reichhaltigen Beete mit Rosen, Tulpen und Narzissen schweifen ließ. Aber nicht nur die Farbenpracht konnte sich sehen lassen. Sein Garten besaß den besten Bekanntheitsgrad in der ganzen Anlage allein durch den hervorragenden Gemüseanbau. Wuttkes Kartoffeln waren die größten. Selbst der Nachbarverein Erholung konnte da mit keinem seiner Gärten mithalten. Allerdings hatte Wuttke mit Schädlingsproblemen zu kämpfen. Allen voran die Schnecken. Sie entwickelten sich zunehmend zu einer wahren Plage.
    Einmal - es musste mittlerweile zwei Jahre her sein - hatte Wuttke junior drei der roten Wegschnecken im Komposthaufen versteckt, nicht ahnend, dass sie sich dort schneller vermehrten als Rudis Karnickel.
    Bei dem Gedanken an Rudi verzogen sich die Mundwinkel Wuttkes steil nach unten. Er dachte an seine heutige Nachtschicht, die er zusammen mit Rudi verbringen würde.
    Ach Rudi, ach Rudi…
    »Musst du den Jungen gleich schlagen?«, keifte Trude Wuttke schon von weitem, als sie die Schritte ihres Mannes auf der befliesten Terrasse hörte.
    »Machma halblang, Trudi«, gab Gerd Wuttke ungerührt zurück. »Ich habs ihm hundertmal gesacht. Er soll die Schnecken einsammeln un draußen im Wald aussetz’n. Abba sie mit Salz elendich zugrunde gehen zu lassen… nä! Dein Sohn wird nochma ein Mörder, das sach ich dir.«
    Trude rollte die Augen. Sie hieß eigentlich Gertrud und war vor ihrer Heirat von allen »Gerda« gerufen worden. Wuttke glaubte, dass ein Gerd in der Familie mehr als genug war und hatte ihr den neuen Spitznamen verpasst. Sehr zum Gespött der Nachbarn, die Frau Wuttke wegen ihres fülligen Äußeren mit der Schauspielerin und Kabarettistin Trude Herr aufzogen. Dabei sprach Gertrud Wuttke nicht einmal Ruhrpottslang. Sie war in Hannover aufgewachsen und erst recht spät nach Dortmund gezogen.
    »Erzähl nicht so einen Unsinn«, sagte Trude.
    »Ja, ja. Wie weit issn das Essen?«
    »Bin gleich fertig.«
    »Mach hin. Ich muss auffe Schicht.«
    Es gab Pellkartoffeln (aus eigener Zucht) mit selbst gemachtem Zaziki und Krautsalat. Wuttke hätte in dem Moment auch eine schöne Bratwurst oder ein saftiges Kotelett nicht verschmäht, aber es war zu spät, den Grill noch anzuwerfen. Zumal ihm am Wochenende auch die Holzkohle ausgegangen war.
    »Rudi hat übrigens angerufen«, sagte Frau Wuttke beim Essen.
    »Wat willa?«
    »Weiß nicht. Er sagt es dir gleich beim Dienst.«
    »Dann kannz ja nich wichtich ge-wesn sein«, nuschelte Gerd Wuttke und tauchte eine Kartoffel so tief ins Zaziki, dass sie förmlich darin verschwand. Anschließend hatte er Probleme, den Happen wieder herauszufischen. Er stocherte mit der Gabel in der Quarkspeise, doch die eingelegte Kartoffel zerbröselte -unter brachialer Gewalteinwirkung.
    »Hasse ma’n Löffel?«, fragte Wuttke säuerlich und dann: »Ach lass.« Er langte nach dem Bierkrug, kippte sich das Kronen Export in den Hals und wischte sich ungeniert mit dem Handrücken über den Mund. Sekundenlang starrte er danach die feuchte, von Bier und Zazikiresten bedeckte Hand an, brummte etwas vor sich hin und benutzte die Tischdecke als Handtuch.
    »Kannst du das mal lassen?«, herrschte Trude Wuttke ihn an.
    »Nä.«
    »Aber vor dem Jungen doch wohl!«
    »Geh mir nich auf n Zwirn«, sagte Wuttke und stand auf. »Bis morgen.«
    Er unterließ es, seiner Frau einen Abschiedskuss zu geben. Dieses Ritual hatte er bereits kurz nach der Hochzeit abgelegt. Und jetzt mit zweiundvierzig Jahren musste er es gar nicht wieder einführen. Stattdessen ging er in die Laube, griff nach seiner Arbeitstasche und der »Bild« und machte sich auf den Weg zur Stadtbahnhaltestelle.
    Ausgerechnet Rudi, dachte er und hockte sich auf einen freien Plastiksitz, der nicht mit Graffiti beschmiert war. Eigentlich hatte er nichts gegen Rudi. Aber in der Nachtschicht kam der werte Kollege ständig auf die Idee, ihn über Funk von seinem Kran aus anzuquatschen und ihm die neuesten Gruselgeschichten aus irgendwelchen Schundromanen zu erzählen, die er wohl so gierig verschlang, wie seine Karnickel sich aufeinander stürzten, um sich zu vermehren. Und wenn die halbe Nacht herum war, dann ging es nur noch um die rammelnden Viecher.
    Widerlich!
    Gerd Wuttke stellte die Tasche zwischen seinen Füßen ab und blätterte im Lokalteil
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