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0784 - Der Seelenangler

0784 - Der Seelenangler

Titel: 0784 - Der Seelenangler
Autoren: Earl Warren
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Füßen hatte er Wundmale.
    Er lächelte Lioba an. Sie stand auf. Ihre Knie zitterten.
    »Herr«, fragte sie, »bist du es?«
    »Lioba«, hörte sie wieder, wie sie es schon unterbewusst gehört hatte, »komm zu mir. Umarme mich. Schaue in meine Wundmale.«
    An seiner linken Brust sah man eine klaffende Wunde. Darunter sein Herz. Es sah anders aus, als Mediziner es kannten oder wie es real abgebildet wurde, wie eine Nachbildung eines naiv gemalten Christusherzens. Doch das fiel der Nonne nicht auf.
    »Du hast mich gerufen, Herr?«, stammelte sie.
    Ekstase durchflutete sie. Wie ein Hauch durchdrang es sie. Angezogen wie ein Eisenspan vom Magnet ging die Nonne in ihrer Tracht auf den Leuchtenden zu. Obwohl sie keine Märtyrerin war, war ER gekommen, um sie in sein Reich zu holen.
    Oder sie würde fortan eine Heilige sein, wie Jeanne d'Arc, die französische Nationalheilige, die Stimmen gehört und die Jungfrau Maria gesehen hatte.
    »Komm zu mir«, ertönte wieder die lockende, wohlklingende Stimme. »Weißt du, wer ich bin?«
    Lioba nickte. Im nächsten Moment spürte sie einen grässlichen, ungeheuren Schmerz, als der Leuchtende sie in die Arme schloss. Es war ein Gefühl, wie eisigste Kälte und Feuershitze zugleich, eine entsetzliche Qual, die die Nonne innerlich zerriss.
    Sie wollte weg, schrie, schlug mit Armen und Beinen. Das war keine Jesusfigur, die sie da umarmte. Es war…
    Von einem Moment zum anderen verschwand die Nonne aus der Grotte vor der Marienstatue. Es gab keinen Wirbel in der Luft, kein Geräusch, keinen Lichteffekt, nichts. Sie war einfach weg. Jäh brach ihr Schrei ab.
    Der Angler holte den Fang ein.
    ***
    Das Loiretal lag im strahlenden Sonnenlicht eines wunderschönen Maientags, an dem sich die Natur wie die Menschen erfreuten. Alles grünte und blühte. Silbern schlängelte sich die Loire durch die grünen Wälder und Auen. Vögel zwitscherten, bunte Schmetterlinge gaukelten im Sonnenschein und flogen von Blüte zu Blüte.
    Fleißige Bauern arbeiteten auf den Feldern um das 300-Seelen-Dorf am Fuß des Hügels, auf dem Château Montagne aufragte, das Stammschloss der Montagnes aus dem 11. Jahrhundert. Mit seinen beiden Türmen rechts und links vom Tor, das über eine erstklassig intakte Zugbrücke verfügte, und den U-förmig gebauten Gebäudetrakten ragte es in den blauen Himmel.
    Nur wenige Schönwetterwolken zogen dahin. Trotz des herrlichen Frühlingswetters herrschte im Château eine gedrückte Stimmung. William, der Butler, schlich trübsinnig umher. Zamorra hatte in seinem Arbeitszimmer im Nordturm nicht die rechte Lust zum Arbeiten, er hing trüben Gedanken nach.
    Nicole, seine bildhübsche Lebensgefährtin, vermochte es nicht, ihn aufzuheitern und war selbst melancholisch. Ganz im Gegensatz zu ihrem sonstigen quecksilbrigen Temperament. Denn die dritte Tafelrunde [1] war gescheitert -beziehungsweise nicht wirklich zustande gekommen. Dieser Fehler hatte einige der langjährigen Freunde und Gefährten das Leben gekostet.
    Merlin, der Magier, hatte es nicht zustande gebracht, sie zum Sieg gegen die Mächte der Finsternis zu führen. Wieder einmal waren die Mächte des Guten durch Verrat und Intrigen gescheitert. Zamorras Double aus der Spiegelwelt hatte die Stygia der Spiegelwelt getötet, jenes Paradox-Multiversums, das durch ein Zeitparadoxon entstanden war.
    Dem »bösen« Zamorra war es gelungen, die Rolle des echten einzunehmen und seine Mitstreiter zu täuschen, sie in die Falle zu locken. Der Spiegelwelt-Zamorra hatte selbst den Thron des Fürsten der Finsternis einnehmen wollen, nach dem Tod der Spiegelwelt-Stygia.
    Lucifuge Rofocale hatte ihn davon vertrieben, nachdem seine Pläne durch den »guten« Zamorra, Merlin und Nicole und andere gescheitert waren. Im ursprünglichen Multiversum lebte Stygia noch und war Fürstin der Finsternis - im Spiegeluniversum war der Thron im Moment vakant.
    Was sein Widerpart aus der Spiegelwelt und auch Nicole Duvals Pendant dort trieben, wusste Zamorra nicht. Beide Seiten hatten herbe Verluste hinnehmen müssen. Zamorra und Nicole betrauerten den Tod des mit menschlicher Intelligenz und telepathischer Begabung ausgestatteten Wolfes Fenrir, Pater Aurelians, des alten Studienkollegen und Kampfgenossen des Parapsychologen, und den des Sauroiden Reek Norr.
    Zuvor schon hatte die ERHABENE Nazarena Nerukkar Ted Ewigks Arsenal in Rom und die Forschungsstätten der Tendyke Industries in den USA vernichtet. Nazarena Nerukkar hatte sich dann
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