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0775 - Haus der Toten

0775 - Haus der Toten

Titel: 0775 - Haus der Toten
Autoren: Christian Constantin
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verschwand einige Wochen später spurlos. Daraufhin stand das Haus wieder einige Jahre leer.«
    Der Dekan legte eine kleine Kunstpause ein und freute sich über die erwartungsvollen Gesichter seiner Zuhörer.
    »1961 fand es dann seinen letzten Besitzer. Ein exzentrischer Millionär aus einem anderen Bundesstaat, dem wohl der Gedanke gefiel, in einem Geisterhaus zu wohnen. Er hielt es nicht lange dort aus. Nur ein paar Wochen nach seinem Einzug verließ er das Anwesen und kehrte nie wieder hierher zurück. Das Haus selbst wurde erneut zum Verkauf gestellt, aber mittlerweile war sein Ruf so schlecht, dass niemand es mehr wollte, egal wie billig es sein mochte. Seitdem steht es leer. Es ist mittlerweile natürlich in ziemlich schlechtem Zustand. Die Stadt hat es irgendwann für einen Apfel und ein Ei aufgekauft und unter Denkmalschutz gestellt. Die Finanzierung für eine Renovierung haben sie aber nie auf die Beine gestellt. Ich glaube, die Verwaltung wartet mittlerweile nur noch darauf, dass es irgendwann von selbst zusammenbricht.«
    »Und seitdem ist dort nichts mehr passiert?«, wollte Nocole wissen.
    »Das Betreten des Anwesens ist verboten, aber es gibt immer wieder Gerüchte über Personen, die in der Nähe des Hauses verschwinden. Genau genommen wird jedes Mal, wenn eine Person vermisst wird, das Geisterhaus dafür verantwortlich gemacht. Man sagt, dass die Geister von Charlotte und John O’Donaghan dort spuken. Und natürlich die aller anderen Opfer seit dieser Zeit«, schloss Williams.
    Nicole nahm einen Schluck von ihrem Burgunder. »Und Sie halten es nicht für möglich, dass an der Geschichte etwas dran ist?«
    Williams lachte gut gelaunt auf. »Natürlich halte ich das für möglich, meine Liebe. Ich halte es auch für möglich, dass die Erde in Wirklichkeit eben doch eine Scheibe ist und mich alle die ganze Zeit über einfach nur belogen haben. Schließlich habe ich unseren Planeten noch nie selbst vom Weltraum aus gesehen. Aber ich halte es für so unwahrscheinlich, dass ich mich nicht näher mit dieser Möglichkeit befasse.«
    Nicole und Zamorra warfen sich belustigte Blicke zu. Sie hätten dem Dekan wahrscheinlich einige Geschichten erzählen können, die seine Überzeugungen erschüttert hätten. Aber schließlich war es ja gerade der Sinn dessen, was sie taten, dass Leute wie er sich nicht mit solcherlei Dingen beschäftigen mussten.
    Williams hob sein Glas und prostete ihnen fröhlich zu. »Auf das Geisterhaus !«
    Nicole und Zamorra nahmen ebenfalls ihre Gläser und stießen mit ihm an.
    ***
    Sie hatten Davids Toyota in einiger Entfernung zu dem Haus abseits des Weges abgestellt, sodass man ihn von der Straße aus nicht sehen konnte, und liefen den Rest des Weges zu Fuß.
    Jenny erwartete nicht, dass das Spukhaus irgendeinen unheimlichen Eindruck auf sie machen würde. Sie hatte es schon oft bei Tag gesehen und schließlich gehörte sie zu einer Generation, die mit Horrorfilmen aufgewachsen war und mittlerweile darüber lachte, wenn im Kino jemand mit einer Kettensäge zerlegt wurde.
    Aber als sie das Haus jetzt im Mondlicht vor sich stehen sah, wurde sie von einem Gefühl der Furcht gepackt, wie sie es nicht mehr gespürt hatte, seit sie ein kleines Mädchen war.
    Schwarz und gigantisch ragte es vor ihr auf. Wie konnte es nur so dunkel aussehen? Es war eigentlich eine fantastisch helle Vollmondnacht; sie hatten bisher nicht einmal ihre Taschenlampen benutzen müssen.
    Aber das Haus selbst schien völlig im Dunkeln zu liegen. Es war, als hätte jemand eine Schablone angelegt und einen Ausschnitt aus der Landschaft herausgeschnitten. Als wäre dieser düstere Fleck ein Fenster in eine tiefere, tatsächlich pechschwarze Nacht, in der die Schrecken der Kindheit wieder Form annehmen konnten.
    Bruchstücke von Erinnerungen gingen durch ihren Kopf.
    »Geh nicht in den Keller, da sind die Monster.«
    »Schau nachts nicht unters Bett.«
    »Sieh nicht hinter dich, wenn du das Gefühl hast, beobachtet zu werden. So lange du dich nicht umdrehst, kann es dir nichts tun…«
    »Komm schon, Jenny! Wir sind gleich da!«, hörte sie Jacks Stimme.
    Abrupt schüttelte sie sich und zwang sich ein leises Lachen ab. Sie war kein Kind mehr. Sie war eine junge Frau und sie kannte die wahren Schrecken der Welt: Krieg, Hass, Mord. Vergewaltigung. Andere Menschen eben. Hier, in diesem alten Gebäude war nichts, vor dem sie Angst haben musste. Mit einem Mal dachte sie, dass an Jacks hirnrissiger Idee vielleicht doch etwas
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