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0775 - Haus der Toten

0775 - Haus der Toten

Titel: 0775 - Haus der Toten
Autoren: Christian Constantin
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Kathy!« Sie hasste sich dafür, dass ihre Stimme vor Furcht zitterte.
    Harold war der friedfertigste Mann, den sie kannte, und das kleine Taschenmesser in seiner Hand hätte nicht bedrohlich aussehen dürfen. Aber als sic ihren Mann mit seinem Schweizer Messer auf sich zukommen sah, wurde ihr schlagartig bewusst, dass er tatsächlich vorhatte, ihr etwas anzutun.
    Als ihr das klar wurde, drehte sie sich sofort um und versuchte, aus dem Raum zu fliehen. Aber obwohl sie sich nicht erinnern konnte, die Tür hinter sich zugemacht zu haben, war diese nicht mehr offen. Ihre Hände fanden die Klinke. Hastig drückte sie sie hinunter.
    Die Tür war abgeschlossen.
    Verzweifelt rüttelte sie daran, warf ihren untersetzten Körper dagegen, aber die Tür hielt stand.
    »O mein Gott«, stammelte Kathy, während sie mit der Tür kämpfte, »o mein Gott, Harold!«
    »Wer ist Harold?«, sagte eine Stimme direkt an ihrem Ohr.
    Sie fuhr herum und sah das Messer auf sich zukommen. Noch bevor sie einen Ton von sich geben konnte, drang die Klinge in ihre Kehle ein und ihr Aufschrei ertrank in einem blubbernden Krächzen.
    ***
    Aus dem Durham Inquirer vom 23. Juni 1998:
    Erneutes rätselhaftes Verschwinden
     
    Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr ist ein Touristenpaar vom Erdboden verschluckt worden. Harold und Kathy Mason aus Portsmouth werden bereits seit drei Tagen vermisst.
    Das Letzte, was von dem Ehepaar bekannt ist, ist ihr Plan, einen Ausflug zu den Klippen zu unternehmen, wo heute tatsächlich ihr Auto gefunden wurde. Die Polizei erklärte, dass das umliegende Gebiet mit Hilfe von Freiwilligen abgesucht wird. Kommissar Harris äußerte allerdings, er »rechne nicht mehr damit, die Masons lebendig zu finden«.
    Man hält es außerdem für möglich, dass sie von den Klippen gestürzt sind. Dann wäre nicht abzusehen, wo und wann ihre Leichen angespült würden.
    Von der Polizei wird allerdings mit keinem Wort erwähnt, dass das Auto der Masons in unmittelbarer Nähe des O’Donaghan-Hauses steht, das von den meisten unserer Bürger einfach nur als das Geisterhaus bezeichnet wird.
    Es ist verständlich, dass die offiziellen Stellen den Anschein von Aberglauben vermeiden wollen. Aber es ist zugleich unbestreitbar, dass dieses Haus immer wieder im Mittelpunkt von Tragödien wie dieser steht. Sollte sich für die Stadtverwaltung nicht allmählich die Frage stellen, ob es sinnvoll wäre, das Anwesen endlich abzureißen -Denkmalschutz hin oder her?
    Das Haus erfüllt keinen bestimmten Zweck für unsere Stadt, und je öfter es mit rätselhaften Fällen wie diesem in Verbindung gebracht wird, umso schädlicher wirkt sich das auf unseren Tourismus aus. Letztlich ist das O’Donaghan-Anwesen doch vor allem eine Erinnerung an ein Kapitel unseres Städtchens, das vielleicht endlich dem Vergessen anheim fallen sollte.
    ***
    17. Mai 1887
    »Also? Was halten Sie davon?«
    Nervös beobachtete John O’Donaghan die junge Frau. In diesem Moment gab es nichts auf der Welt, das für ihn wichtiger war als Charlottes Antwort auf seine einfache Frage. Und die ließ auf sich warten. Charlotte stand an den Klippen und sog, wie es schien, die Aussicht förmlich in sich auf. Das Kästchen in seiner Westentasche erschien ihm schwer wie Blei.
    Einige lange Momente verstrichen, in denen sie ihm den Rücken zuwandte und auf das Meer hinausblickte. Während er sie betrachtete, vergaß John seine Nervosität allmählich und ließ sich von dem Anblick in seinen Bann ziehen: Charlotte, die in ihrem dunkelgrünen Kleid im Licht des Sonnenuntergangs auf der Klippe stand, tief unter ihr das tosende Meer. Ihr schwarzes Haar, das im Wind flatterte. Wieder empfand er die bekannte Enge in seiner Brust; das beinahe qualvolle Schlagen seines Herzens, das er so oft in Charlottes Anwesenheit verspürte.
    Mein Gott , dachte er, ich wünschte, ich wäre ein Maler oder ein Komponist. Ich wünschte, ich könnte diesen Anblick für die Ewigkeit festhalten.
    Aber John O’Donaghan war Rechtsanwalt und Notar, und es gab kein Gesetz, das sich mit Schönheit befasste. Also begnügte er sich mit dem Versuch, den Anblick in seiner Seele zu bewahren, mit der Hoffnung, dass die Erinnerung an diesen Augenblick ihn niemals verlassen würde.
    Aber obwohl er sich einerseits wünschte, so stehen bleiben zu können und diesen Moment andauern zu lassen, war es doch an der Zeit, den Schritt zu tun, weswegen er sie hierher gebracht hatte. Er trat auf sie zu, zögerte, hielt
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