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0767 - Zeit der Wachsleichen

0767 - Zeit der Wachsleichen

Titel: 0767 - Zeit der Wachsleichen
Autoren: Jason Dark
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Schuhe hatte er übergestreift. Trotz der ungewöhnlichen Glätte sah sein Gesicht mit dem schiefstehenden Mund auch verwüstet aus, und es war vor allen Dingen schmutzig.
    Da klebten Staub, Erde und kleine Blattreste, als wären sie angeleimt worden. Dieser Mann wirkte tatsächlich wie eine Gestalt, die soeben ihrem Grab entstiegen war.
    Als dem Geistlichen dieser Vergleich in den Sinn kam, schoß die Röte in seine Wangen hinein. Im nächsten Augenblick erbleichte er und nahm die Farbe von kaltem Fett an.
    Aus dem Grab gekommen als lebende Leiche! Gab es so etwas? Der Schauer auf seinem Rücken war nicht mehr aufzuhalten. Ihm kam die Offenbarung in den Sinn, die Geschichte vom Jüngsten Gericht, wo sich alle Gräber öffneten und die Toten ihre unterirdischen Plätze verließen, um sich zusammen mit den Lebenden - dem Gericht des Herrgotts zu stellen.
    Prantl hob die rechte Hand. Er preßte den Ballen gegen die Lippen. Der Gedanke an das Jüngste Gericht wollte einfach nicht mehr weichen. War es jetzt soweit? Stand nicht in der Bibel, daß niemand die Stunde kannte, wann es geschehen sollte? Hatte sich der Mond in dieser Nacht nicht schon des öfteren verfinstert?
    Der Mann war so durcheinander, daß er die Realität mit den Voraussagungen durcheinanderwarf und auch kaum einen klaren Gedanken mehr fassen konnte.
    Der erste Tote!
    Ja, der erste Tote hatte bereits das Grab verlassen. Er war der auf schreckliche Art und Weise lebendig gewordene Anfang vom Ende. Und ein Mensch konnte da nichts tun, höchstens beten. Prantl fand nicht einmal die Kraft, seine Hände zu falten. Die Ahnung und die gleichzeitige Angst waren wie eine Würgeschlinge, die sich um seinen gesamten Körper gedreht hatte.
    Der Zombie sprang zu Boden.
    Als sein Körper aufprallte, entstand ein dumpfer Laut, der den Pfarrer zusammenschrecken ließ.
    Er schnappte nach Luft, konnte nicht mehr reagieren. Er wußte, daß er zu einem Opfer werden würde.
    Vor ihm richtete sich der Unheimliche auf. Er bewegte seinen Kopf so, daß er Prantl anschauen konnte.
    Sein Blick war leer und böse.
    Zwei verschiedene Augen glotzten den Mann an, und in beiden stand die Kälte eines Grabs.
    Das rechte Auge erschien dem Mann größer als das linke. Beide waren auf den Pfarrer fixiert, der auch das Zucken wahrnahm, das durch den Körper des Eindringlings glitt.
    Es war ein Zeichen.
    Er würde kommen.
    Und er ging vor!
    Prantl stockte der Atem. Kein Schauspieler der Welt hätte seinen Schrecken so gut nachspielen können. Er stand in einer Abwehrhaltung auf dem Fleck und hatte ein Bein vorgestellt, als wolle er jeden Augenblick starten. Sein Blick war eingefroren und wurde von der kalten Angst beherrscht.
    Was sollte, was konnte er tun?
    Nichts, gar nichts. Ihm fiel einfach nichts ein. Es war grauenhaft und furchtbar. Gegen dieses Wesen gab es keine Waffe. Obwohl es sich so eckig bewegte, würde es immer schneller sein als er. Entkommen konnte er ihm nicht mehr.
    Der zweite Schritt!
    Sehr hart setzte die Wachsleiche ihre Füße auf. Den rechten Arm schob sie nach vorn. Die Finger kamen dem Geistlichen vor wie kurze, graue Steinstummel.
    Er verdrehte die Augen. Speichel floß aus seinem Mund. Er suchte nach einer Lösung. Größer und größer wurde seine Not, und da fiel ihm das ein, was ihm schon längst hätte einfallen sollen. Genau in dem Augenblick, als sich ihm die Hand näherte und die Kralle beinahe über seinem Kopf schwebte.
    Es waren die Verse eines Gebets.
    Er sprach sie hastig, in seiner Furcht brachte er sie sogar durcheinander, was ihm der liebe Gott wohl verzeihen würde.
    Nicht der lebende Tote!
    Er hörte die Worte, sie waren wie Gift für ihn. Sie hielten ihn ab, sie bannten ihn auf der Stelle fest, so daß die Hand nicht nach unten sackte und sich die Finger im Haar des Priesters verfangen konnten. Statt dessen zog der Unheimliche seine Hand zurück, ging selbst wieder nach hinten, und Prantl bekam eine Galgenfrist.
    Jaulend holte er Luft.
    Das Gebet war verstummt, aber er hatte seine Schmerzgrenze überwunden. Plötzlich wußte er, wie er diesem Wesen beikommen konnte. Mit seinem tiefen Glauben und genau dem, was als ein äußeres Zeichen dazugehörte.
    Er zog sich zurück, während sich seine Lippen bewegten und noch immer die Zeilen der Gebete flüsterten.
    Prantl erreichte die Tür.
    Er mußte weg, aber nicht direkt aus dem Haus. Auf dem Friedhof und draußen fürchtete er sich, weil er daran dachte, daß noch andere Gestalten durch die Reihen
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