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0764 - Zeit der Grausamen

0764 - Zeit der Grausamen

Titel: 0764 - Zeit der Grausamen
Autoren: Jason Dark
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Versteck kämen sie schon in Frage.
    Darüber sprachen wir.
    Sir James mußte zugeben, daß es die einzige Spur war und erklärte uns, daß wir sie verfolgen sollten. »Fahren Sie gleich los und schauen Sie sich um. Ich könnte mir vorstellen, daß sie noch vor Helen Kern am Ziel sind. Oder glauben Sie, daß Miß Kern in ein Auto steigt und fährt?«
    »Das sicherlich nicht, Sir.«
    »Dann wünsche ich Ihnen viel Glück.«
    »Gleichfalls.«
    Er ging, ließ uns zurück, die wir ziemlich sauer waren. Zumindest Suko und ich. Glenda lächelte.
    Sie rieb ihre Handflächen gegeneinander. »Dann haut mal richtig rein, Freunde. Es wird euch doch nicht schwerfallen, Helen Kern zu finden.«
    »Nein, überhaupt nicht«, sagte ich und stand auf. Ich griff zu meiner dünnen Jacke. Einen Vorteil hatte die neue Aufgabe. Wir würden mit Sukos Wagen fahren, und der war mit einer Klimaanlage ausgerüstet…
    ***
    Die Nacht!
    Dunkelheit, Einsamkeit, dicht belaubte Bäume, keine Menschen, Natur pur.
    Je näher die Nacht herangerückt war, um so schneller hatte sich Helen bewegen können. Sie war ein Geschöpf der Dunkelheit. Sie fühlte sich dazu hingezogen, sie würde sie immer lieben, denn die Nacht gab ihr eine kaum vorstellbare Kraft.
    Wieder veränderte sich etwas in ihrem Innern. Gier erwachte und kämpfte gleichzeitig gegen den Menschen an, der ebenfalls noch zu ihr gehörte. Aber sie war beides nicht. Weder Mensch noch Vogel. Sie war ein Zwitter, hin- und hergerissen von Eindrücken, Gefühlen und Handlungen. Ein Spielball zwischen den Mächten, die an ihr zerrten und sie von einer Seite zur anderen schoben, ohne sich für eine wirklich entscheiden zu können. Helen wußte selbst nicht, als was sie sich lieber ansah. Als Mensch oder als Vogel.
    Da blieb sie in der Mitte.
    Sie schaute mit dem Auge eines Menschen und gleichzeitig mit dem eines Vogels. Sie sah die Umgebung aus zwei Perspektiven, wobei der Vogel in der Nacht einen Vorteil hatte.
    Damit konnte sie sehen, als wäre die Umgebung hell erleuchtet.
    In einem kleinen Waldstück hatte sie Zuflucht gefunden. Die Bäume waren noch naß vom Regen, und auch der Boden war feucht. Sie hatte sich eine kleine Mulde ausgesucht, in der sie hockte.
    Halb Mensch - halb Vogel…
    Immer wieder dachte sie darüber nach. Das schaffte sie auch, nahm es sogar hin. Sie mußte sich einfach in diesen Fatalismus hineinstürzen, weil es keine andere Möglichkeit gab. Sie mußte damit fertig werden und damit leben, denn sie glaubte nicht, daß sich dieser Zustand noch ändern würde.
    Eine Zurückverwandlung war nicht in Sicht. Eher der Weg nach vorn. Daß sie sich voll und ganz in einen Vogel verwandeln würde und als Rieseneule zurückblieb.
    Bisher war die gesamte rechte Seite von einem dunklen Gefieder bedeckt. Es fing beim Fuß an und glitt weiter in die Höhe, bis es ihre Haare erreicht hatte. Das heißt, die Haare waren ebenfalls an der rechten Seite nicht vorhanden, sie hatten sich in Gefieder verwandelt, das erst aufhörte, als es den Scheitel erreicht hatte.
    Von dort an war sie normal. Dichtes braunrotes Haar wuchs bis zu den Schultern. Sie hatte noch immer die samtweiche Haut, auf die sie so stolz gewesen war. Sie fror auch nicht, obwohl sie keinen Fetzen Kleidung am Leib trug. Das hier war alles anders geworden, sie mußte umdenken, sie würden auch weiterhin so leben, aber nur mit der linken Seite als Mensch.
    Sie würde essen müssen, und dieser normale Vorgang bereitete ihr die ersten Probleme.
    Sie hatte nur einen halben normalen Mund, die rechte Seite hatte sich ebenfalls verändert und war zu einem Schnabel geworden. Auch der Gaumen innen war aufgerauht, es gab ihn praktisch nicht mehr. Wenn sie die Zunge bewegte, dann kratzte sie über die Enden der kleinen Federn. Was im Innern ihre rechten Körperhälfte geschehen war, wußte sie nicht, sie wollte es auch nicht wissen, später vielleicht, aber nicht jetzt, wo es andere Probleme gab.
    Helen brauchte ein Versteck.
    Zwar hockte sie in der tiefen Dunkelheit des Waldes, aber das war es einfach nicht. Sie mußte raus, weg, fliehen, denn sie befand sich noch zu nahe an der Stadt, und sie wollte auf keinen Fall von irgendwelchen Menschen entdeckt werden.
    Sie stand auf.
    Die Nacht gab ihr Schutz. Hinzu kamen die Bäume und auch das Dickicht des Waldes. Sie sah mit ihrem Vogelauge nicht nur gut, sie hörte auch die leisesten Geräusche, die ihr als normaler Mensch nicht aufgefallen wären.
    Das Rascheln, das Tappen kleiner Füße.
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