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0736 - Jäger der Nacht

0736 - Jäger der Nacht

Titel: 0736 - Jäger der Nacht
Autoren: Jason Dark
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nicht so recht, ob sie lachen oder weinen sollte.
    Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie sich entschlossen hätte, mit Anne zu gehen. Da kam sie wenigstens auf andere Gedanken. Unter Menschen sein, war bestimmt nicht schlecht. Sie würde sich austoben können, sie würde aus sich herausgehen und…
    »Nein«, flüsterte sie, »nein, es bleibt dabei. Ich gehe nicht mit.«
    Außerdem wollte sie wissen, was sich tatsächlich ereignet hatte. Sie mußte dieses Rätsel lösen, und dafür sah sie nur eine Chance. Sie mußte mit Hugo Westlake telefonieren.
    Anne Wilde war zur Superform aufgelaufen. Sie sang und trällerte, sie lachte, sie fühlte sich wohl, und ihre Stimme hallte durch das kleine Bad.
    Eine Frau wie sie war irgendwo schon zu bewundern. Sie hatte die nahe Vergangenheit abgeschüttelt wie ein altes Kleid. Das hätte May nicht gekonnt, sie waren eben zu verschieden.
    Anne kehrte zurück.
    Sie war nackt und rieb ihre Haare trocken. May stellte fest, daß sie einen gutgewachsenen Körper hatte, mit festen Brüsten und kirschdunklen Warzen, die steil aufgerichtet standen. »Das wird ein Fest«, sagte sie. »Ein Riesenfest. Ich muß es mir einfach gönnen, und ich lasse mich auch abschleppen. Kannst du das verstehen, May?«
    »Nur schwer.«
    Anne lachte und schleuderte das Handtuch hinter sich. Es fand seinen Weg durch die offene Tür ins Bad. »Nein, das kannst du nicht verstehen. Ich sehe es dir an. Ich aber habe eine wahnsinnige Sucht nach dem Leben. Da gehört das Bumsen einfach dazu, finde ich.«
    Nach diesen Worten streifte sie einen Slip über. Auf einen BH verzichtete sie. Aus dem Schrank fischte sie einen dicken Pullover. Er war sehr bunt und grell. Dazu zog sie eine helle Winterjeans über und sang dabei ein Lied von Phil Collins.
    »Dir geht es gut, nicht?«
    Anne lachte und swingte durch das Zimmer. Dabei zog sie den Reißverschluß der Jeans hoch. »Das kannst du laut sagen. Mir geht es super. Denk doch mal nach. Wir haben es hinter uns. Was immer es auch gewesen sein mag, wir haben es überstanden.« Sie ging zu May und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Hörst du nicht? Wir haben es überstanden. Du kannst lachen, du kannst tanzen, du kannst singen. Es ist vorbei. Diese verdammte Scheiße ist vorbei.«
    May Feldman blieb ruhig. Sehr cool fragte sie: »Bist du sicher, Anne?«
    »Klar doch.«
    »Na ja…«
    Anne ließ die Freundin los. Sie trat zurück und schüttelte den Kopf. »Das ist komisch, das ist irre komisch. Du sitzt hier, als wärst du in einer tiefen Trauer versunken.«
    »Vielleicht bin ich das.«
    »Warum denn?«
    May hob die Schultern und blies eine Haarsträhne zur Seite.
    »Warum wohl?« murmelte sie. »Weil ich so ein Gefühl habe, daß es mal anders kommen kann.«
    »Nie. Nie kann es so schlimm werden, wie es einmal gewesen.«
    May lächelte verloren. »Dein Naturell möchte ich haben, ehrlich. Ich kann dir dazu nur gratulieren.«
    »Jeder ist anders.« Anne lief zum Fenster. Am Himmel sah sie die grauen Schatten der Dämmerung. Wie aus dem Nichts krochen sie hervor. Sie fröstelte plötzlich, denn ins Nichts wollte sie nicht mehr zurück. Da war sie einmal gewesen. In der Dunkelheit, wo das Grauen herrschte, wo alles so anders gewesen war.
    Nein, nie mehr!
    Auch nicht daran erinnern, nur nicht mehr zurück ins Dunkel blicken, sondern nur nach vorn. Scharf drehte sie sich um. »Ich werde jetzt gehen, May.«
    »Wann bist du zurück?«
    »Schätzchen«, erwiderte Anne in einem vorwurfsvollen Tonfall, »das kann ich dir doch jetzt noch nicht sagen. Das wird sich alles ergeben. Ich habe heute die Hummeln im Bauch, verstehst du? Da brauche ich einen scharfen Typ, einen Lover…«
    »Schon gut.«
    Anne holte ihre Jacke aus dem Schrank. »Kann schon bis zum frühen Morgen dauern.«
    »Dann viel Spaß.«
    »Danke gleichfalls, Süße.« Sie warf May einen Handkuß zu und war verschwunden.
    May Feldman blieb sitzen. Sie war nicht allein von einem bedrückenden Gefühl befallen worden, es kam noch etwas anderes hinzu.
    Eine bohrende Angst…
    ***
    In der Wohnung war es still, furchtbar still, und May Feldman fürchtete sich. So unterschiedlich die beiden Frauen vom Temperament her auch waren, jetzt wünschte May sich Anne zurück, damit wenigstens diese verdammte Stille durch eine fremde Stimme unterbrochen wurde. Sie machte alles so schlimm, sie drückte, selbst die laute Musik einer Kassette konnte sie nicht darüber hinwegbringen.
    Die Wohnung kam ihr vor wie ein
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